"Arisches" Blut für Südafrika

Rosina Dura erzählt in ihrem Dokumentarfilm "Weißes Blut. Aus den Ruinen in die Sonne: Eine Apartheids-Geschichte" die schwierige Lebensgeschichte zweier Jungen, die am 8. September 1948 an Bord der "Winchester Castle" nach Kapstadt kamen. Arte zeigt den Film am Dienstag um 20.15 Uhr.
Nie wirklich dazugehören
Werner Schellack ist damals gerade zwei Jahre alt. Seine Adoptiveltern betreiben eine große Farm und gehören zum burischen Establishment. Wohlstand herrscht auch in dem Hause des Ehepaares, das Peter Ammermann zusammen mit einem weiteren Mädchen und einem Jungen aufnimmt. Er nennt sie Schwester und Bruder. Der 1948 schon acht Jahre alte Peter hat Schwierigkeiten. Die Probleme beginnen schon beim Essen. Karge deutsche Nachkriegsernährung gewöhnt, kann er nicht alles essen, was man ihm vorsetzt.

Werner Schellack und seine Freundin Justine.
Die Eltern setzen sich mit rigiden Methoden durch: Alles muss gegessen werden, bis zum letzten Bissen. Werner Schellack und Peter Ammermann sind heute zwei ältere Herren, die noch immer unter den Folgen dieser Adoption leiden. Aus ihren Erzählungen wird klar, dass es zum einen die Strenge und Lieblosigkeit der Erziehung war, die sie verstörte. Zum anderen aber wurden sie von ihren Wurzeln abgeschnitten, gehörten jedoch nie wirklich dazu.
Die Brutalität und der menschenverachtende Rassismus der Apartheid bestimmten den Alltag Südafrikas. Früh wurde den Kindern aus Deutschland beigebracht, dass Schwarze wertloser seien als Weiße. Gerechtfertigt wurde diese Ideologie mit der Bibel. Weil Gott nur der Vater der Weißen sei, dürften die Nicht-Weißen nur an «den Vater im Himmel» beten, brachte man Peter Ammermann bei. Die scheinheilige Frömmigkeit seiner Familie führte dazu, dass er sich vom Christentum abwandte. Heute bekennt er sich zum Islam. Beide Männer haben es in ihrem Leben zu etwas gebracht, doch die Zerrissenheit ist ihnen geblieben. Sie haben in Deutschland nach ihren Familien gesucht, auch für einige Zeit hier gelebt, aber sie sind heimatlos geblieben. Werner Schellack führt jetzt wieder seinen deutschen Namen und hat die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen.
Ende der "weißen Privilegien"
Regine Duras berührender Film zeigt über das persönliche Schicksal hinaus die Grausamkeit und die Verlogenheit des Apartheidregimes. Ihre beiden Protagonisten haben versucht, sich mit der Gesellschaft, in der sie lebten, zu arrangieren.

Werner Schellack mit einem Kinderfoto.
Mit dem Ende der Apartheid entfielen auch für sie etliche "weiße Privilegien". Obwohl sie die burische Gesellschaft kritisch betrachten, irritiert sie jetzt doch manches am neuen Südafrika. Bemerkenswert und erschütternd ist auch die Tatsache, dass deutsche Behördenvertreter sich kurz nach der Niederschlagung des deutschen Rassenwahns wieder an rassischen Auswahlverfahren beteiligt haben.
Schade ist allerdings, dass Regina Dura auf jeden erläuternden Kommentar verzichtet hat. Vieles bleibt deshalb im Unklaren. Als Zuschauer fragt man sich etwa, wer die Menschen sind, die Werner Schellack in Deutschland besucht und in welcher Beziehung er zu ihnen steht. Auch erfährt man nichts über das Schicksal der anderen 81 deutschen Kinder, die mit der "Winchester Castle" nach Südafrika kamen. Das alles hätte ein Kommentar leisten können.
Von Monika Herrmann-Schiel (KNA)