"Als Held schwer zu fassen"
"Wenn ihr eure Kräfte bündelt, werdet ihr staunen, was alles möglich wird", ruft der Priester und Sozialreformer den Gesellen zu, die in kapitalistischen Fabriken ausgebeutet werden. Er versucht, gemeinsam mit ihnen kluge und friedliche Auswege aus ihrer desaströsen Lage zu finden.
Die Szene ist Teil eines musikalischen Beitrags, der derzeit zum Kolping-Gedenkjahr 2013 in Fulda vorbereitet wird. In der osthessischen Bischofsstadt wird Anfang August das Musical "Kolpings Traum" Welturaufführung feiern. Auch am Original-Schauplatz Wuppertal wird das Bühnenwerk der in Fulda ansässigen Spotlight Musical GmbH zu sehen sein.
Kräfte bündeln, friedlich für seine Ziele und eine Besserung der sozialen Verhältnisse eintreten - was die Kolping-Figur auf der Bühne verkündet, ist das Programm heutiger Gewerkschaften. Der vor 200 Jahren geborene Vertreter der katholischen Soziallehre gilt denn auch als einer der ersten Gewerkschafter. Für den Regisseur von "Kolpings Traum", Christoph Jilo, ist es "frappierend, wie sich die Aussagen von damals übertragen lassen". Es gebe "erstaunliche und erschreckende Parallelen" zu heute, fügt Jilo mit Blick auf die Globalisierung hinzu. Die Bezüge, die sich zu den momentanen Verhältnissen in der Weltwirtschaft aufdrängen, sind für ihn "ein Grund dafür, das Thema Kolping anzugehen".
Soziale Belange ins Jetzt übertragen
Aktuelle Bezüge sieht auch Darsteller Claus Dam, der in "Kolpings Traum" den Bösewicht spielt, sprich: einen gewissenlosen und ausbeuterischen Fabrikanten. Das Thema Kinderarbeit, das im Fuldaer Musical eine Rolle spielt, sei nach wie vor wichtig: "Das ist heute nur nach Asien verlagert", sagt der 52-Jährige. Und oft genug landeten von asiatischen Kindern hergestellte Sachen auch hierzulande in den Läden, gibt Dam zu Bedenken.
„Adolph Kolping ist als Heldenfigur nicht gut greifbar.“
Der Anlass, Adolph Kolping zum Thema eines Musicals zu machen, ist das laufende Gedenkjahr; im Dezember jährt sich der Geburtstag des Sozialreformers zum 200. Mal. Außerdem hat die osthessische Musical-Schmiede mit religiösen Themen bereits Erfahrung: "Bonifatius" zählt ebenso zu den Werken der Fuldaer wie "Die Päpstin" oder "Elisabeth" über die bekannte Heilige.
"Kolpings Traum" sei im Vergleich zu den früheren Musicals ein schwieriger Stoff, räumt Komponist und Co-Geschäftsführer Dennis Martin ein. Die Biografie des Namensgebers von Kolpingwerk und Kolpingsfamilien sei zwar "spannend", aber nicht sehr handlungsorientiert gewesen. Der Gründervater der katholischen Soziallehre selbst sei "als Heldenfigur nicht gut greifbar".
Die Spotlight-Macher entschieden sich dafür, mit Hilfe von fiktiven Figuren Motive aus dem Leben des historischen Kolping greifbar zu machen und sich auf die Lebensphase bis zur Gründung der bekannten Gesellenvereine zu beschränken. "Das Stück endet an dem Punkt, an dem die Erfolgsgeschichte beginnt", beschreibt Regisseur und Co-Autor Jilo den Ansatz. Das Stück soll erklären, wie und warum Kolping zum Sozialreformer wurde. Komponist Martin vergleicht die fiktiven Figuren und Situationen in "Kolpings Traum" mit einem "Vehikel" und spricht von einer "radikalen künstlerischen Entscheidung". "Das war schwierig, aber wir haben etwas Gutes daraus gemacht", ist sich der Musicalmacher sicher.
Hauptrolle als "tolle Chance"
"Kolpings Traum" ist als Rahmenhandlung aufgebaut. In einer reinen Sprechrolle blickt der alternde Kolping auf sein Leben zurück. Der Titel des Musicals ist laut Jilo vor diesem Hintergrund zu begreifen: Zum einen sei der "Traum als Hort der Erinnerung" zu verstehen und zum anderen als Vision, als "Traum von einer besseren Welt".
Das ist das Kolping-Werk
Internationales Kolpingwerk; kath. Sozialverband, hervorgegangen aus dem "Katholischen Gesellenverein", der 1849 in Köln von dem seliggesprochenen Priester Adolph Kolping gegründet worden war. Kolpings Sorge galt den wandernden Handwerksgesellen, die sich zu Beginn der Industrialisierung oft in wirtschaftlicher Not und großer Orientierungslosigkeit befanden. In den "Gesellenvereinen" baute er mit ihnen zusammen familienähnliche Gemeinschaften auf, die Heimat boten und die Chance, sich beruflich und persönlich zu entwickeln. Zugleich trat Kolping für soziale Gerechtigkeit ein. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde der "Katholische Gesellenverein" in "Kolpingwerk" umbenannt und zählt heute weltweit über 500.000 Mitglieder. Die Arbeit des Kolpingwerkes vollzieht sich v. a. in Gruppen und sog. Kolpingsfamilien auf Pfarr- und Ortsebene. (Aus "Katholisch von A bis Z") Zum KolpingwerkDen jungen Kolping spielt und singt Maximilian Mann. Anfangs habe er "mit der Heiligkeit zu kämpfen gehabt", die die Figur ausstrahle, bekennt der 25-Jährige. Aber im Verlauf der Proben habe er die Charaktervielfalt der Rolle immer besser kennengelernt - "und dann wird es interessant", meint Mann. Die Titelrolle bringe immer eine gewisse Extra-Portion Verantwortung mit sich. "Das ist eine gewisse Last, die man auf den Schultern trägt, aber auch eine ganz tolle Chance", sagt Mann.
Zum künstlerischen Anspruch von "Kolpings Traum" gehört auch ein aufwändiges Bühnenbild. Es entsteht in einer großen Halle, nur wenige Schritte vom Probenort entfernt. Mit dabei ist neben professionellen Technikern auch Kolpingbruder Werner Reck aus Neuhof. Der Elektriker im Ruhestand hilft mit, Kirchenbänke für die Bühnenausstattung auszusägen und zu montieren. Der Antrieb für den 69-Jährigen, sich so engagiert an den Vorbereitungen für das neue Musical zu beteiligen: Reck freut sich schon auf die Aufführung, wenn er von seinem Zuschauerplatz aus die von ihm gefertigten Kulissen und Requisiten sehen wird.
Von Susanne Rochholz (KNA)