Bekenntnis in rot und blau
"In Abständen von jeweils einigen Jahren entstanden immer wieder Bilder mit biblisch religiösem Inhalt. Die Vorstellung des Knaben von einst, als ich während der langen Winterabende tief ergriffen alle Abende in der Bibel lesend saß, wurden wieder wach. Es waren Bilder, die ich las, reichste orientalistische Phantastik. Sie wirbelten in meiner Vorstellung immerzu vor mir hoch, bis lange, lange danach der nun erwachsene Mensch und Künstler sie, wie in traumhafter Eingebung, malte und malte", so definiert Emil Nolde in seiner Autobiografie seine Affinität für religiöse Sujets. Der Künstler schreibt, dass es in seinem Elternhaus "nur Bücher des Glaubens" gegeben habe.
In der Ausstellung sind zentrale Bibel- und Legendenbilder aus dem Schaffensjahr 1921 zu sehen: "Verlorenes Paradies", "Josephs Versuchung" und "Martyrium I-III". Das von Nolde selbst als "grausiges Drama" bezeichnete Triptychon zeigt "die Figuren in übersinnlicher und auch verschiedener Größe gestaltend und in die Zeit der Christenverfolgungen zurückgreifend". Der gekreuzigte Christus hat rote Haare während die Haare der hämisch grinsenden Hächer in gelber und weißer Farbe gefasst sind. Knalliges blau dominiert die Figur des Joseph im Ölbild "Josephs Versuchung".
Sind Noldes biblische Bilder auch fromme Bilder?
Die zweite Etage des Museums Frieder Burda ist vorwiegend den religiösen Kunstwerken des Expressionisten gewidmet. Bilder wie "Der jüngste Tag", "Legende des Hl. Symeon und die Weiber" oder "Heilige Familie" werfen beim Betrachter die Frage auf: Sind Noldes "biblische und Legendenbilder" auch fromme Bilder? Eine Antwort lieferte nicht nur die vor einigen Jahren in Berlin stattgefundene Sonderschau "Emil Nolde: religiöse Bilder", sondern auch der Künstler selbst: "Nicht Gott vor mir haben wie ein stahlharten assyrischen Herrscher, sondern Gott in mir, heiß und heilig wie die Liebe Christi".
Noldes tiefe Frömmigkeit war weniger kirchlich geprägt, sondern innerlich und spirituell. Für ihn war die persönliche Erfahrung wichtig, nicht die Tradition oder das Überkommene. So vertritt er eine eigene Auffassung der Religiösität, er fühlte sich nicht an eine Konfession gebunden.
Leben im Farbenglück
Die religiösen Bilder Noldes behandeln die Frage nach Schuld und Sühne und sind seine Möglichkeit, Betroffenheit auszudrücken. Er konzentrierte sich in seinen Gemälden auf die psychologisch gespannten Momente, die er dann durch seine Farbgebung in ihrer Ausdrucksintensivität steigerte. Schon als Jugendlicher ließ er sich von der Bibel inspirieren.
In seiner Autobiografie erinnert sich Nolde: "In der Schule übermalte ich alle Bilder meiner Bibelgeschichte und lebte ständig damals schon im Farbenglück." In der schwierigen Lage, keine geeigneten Materialien zur Verfügung zu haben, fand er eigene Wege. Seine ersten Farbexperimente unternahm er mit Holunder- und Rote-Bete-Saft. Die Eltern scheinen das besondere Verlangen des Kindes erkannt zu haben, zu Weihnachten erhielt er den sehnlich erwünschten Tuschkasten.
Von Marc Jeck