Katholikentag eröffnet – Steinmeier mahnt Erneuerung der Kirche an
Bei Sonnenschein und mit einer Grußbotschaft von Papst Franziskus ist am Mittwochabend in Stuttgart der 102. Deutsche Katholikentag eröffnet worden. Vor rund 6.000 Menschen auf dem Schlossplatz schwor Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Deutschen auf Verzicht und einen anderen Lebensstil ein. Zugleich ermunterte er in einer viel beachteten Rede die katholische Kirche zur Erneuerung.
"Viele haben sich abgewendet, viele aus Enttäuschung", sagte Steinmeier mit Blick auf das Thema Missbrauch. Vertuschung und schleppende Aufklärung hätten viel Vertrauen zerstört. "Umso mehr möchte ich jene ermutigen, die sich tatkräftig für die Erneuerung der katholischen Kirche in Deutschland einsetzen", fügte das Staatsoberhaupt unter Applaus hinzu.
Ukraine-Krieg ist Schwerpunktthema
Der Katholikentag unter dem Motto "leben teilen" dauert bis Sonntag. Erwartet werden rund 25.000 Teilnehmende, deutlich weniger als zuletzt vor vier Jahren. Nach Einschätzung der Veranstalter spielen dafür die Corona-Pandemie und die Kirchenkrise eine Rolle.
Mitten in das Treffen platzten Vorwürfe gegen den Limburger Bischof Georg Bätzing, der einen Pfarrer trotz Vorwürfen sexueller Belästigung befördert hatte. "Ich würde in meiner Diözese so etwas niemals tun", sagte der gastgebende Bischof Gebhard Fürst bei einer Pressekonferenz.
Ein Schwerpunktthema ist der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der Katholikentag will Solidarität mit den Ukrainern zeigen, wie bei der Eröffnung deutlich wurde. Die Bühne war in deren Landesfarben Blau und Gelb geschmückt. Für Freitagmittag ist eine Friedenskundgebung geplant, parallel sollen in allen katholischen Kirchen der Landeshauptstadt die Glocken läuten.
Steinmeier trug den orangen Katholikentagsschal und einen weiteren in den ukrainischen Farben. Er wandte sich an die um Frieden betenden Christen: "Ich bete mich euch!" Und ebenso direkt an den russischen Präsidenten Putin: "Ziehen Sie Ihre Truppen zurück!" Danach lang anhaltender Beifall.
Mit Blick auf das katholische Reformprojekt Synodaler Weg sagte der Bundespräsident, von dessen Ergebnissen werde abhängen, welche Rolle die Kirche künftig in der Gesellschaft spiele. "Ob es lohnt, wieder neu auf sie zu hören", fügte Steinmeier hinzu, der der evangelischen Kirche angehört.
Bei dem Treffen vertreten sind auch Gruppen wie Maria 2.0, die sich für Reformen in der Kirche stark machen. Einen eigenen "Katholikentag von unten" gibt es in Stuttgart nicht. "Wir sind Kirche"-Sprecher Christian Weisner betonte: "Jetzt sind wir Reformgruppen und die Reformthemen Teil des Katholikentages."
Papst Franziskus: "Wir sitzen alle in demselben Boot!"
Die Präsidentin des Zentralkomitees der Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, unterstrich, der Katholikentag sei "gerade in diesen Zeiten" wichtig. Für sie steht die Kirche wegen des Missbrauchsskandals "auf dem Kopf". Zentrale Themen des Treffens seien neben dem Krieg die sozialen Folgen der Pandemie und Reformen in der katholischen Kirche. Außerdem gehe es etwa um Glaubensfragen und um gerechteres Wirtschaften. "Es führt kein Weg daran vorbei, dass wir unseren Lebensstil ändern müssen", sagte sie bei der Eröffnung.
Auch Papst Franziskus rief die Katholikentagsteilnehmer in einer Grußbotschaft aus Rom zur Solidarität auf: "So sind wir in diesen Tagen mit unseren Gedanken bei den Menschen in der Ukraine und wir beten für alle Menschen, deren Leben bedroht und beeinträchtigt ist." Und der Papst ergänzte: "Wir sitzen alle in demselben Boot!"
Baden-Württembers Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte, Vielfalt und Toleranz, Aktualität und Nachdenklichkeit seien die Mischung, die das Treffen mitten in schweren Krisen ausmache: "Deshalb sind Kirchen- und Katholikentage so wichtig für uns alle." Bis Sonntag finden in Stuttgart rund 1.500 Veranstaltungen statt. Kanzler Olaf Scholz (SPD) wird am Freitag erwartet. Veranstalter ist das ZdK zusammen mit dem Bistum Rottenburg-Stuttgart. (mfi/epd/KNA)