Recycelte Kirchenmusik
Karl Fischer zeigt eine Holzplatte, darauf ist der Querschnitt von Büchern zu sehen. Es ist die Sitzfläche eines Hockers, die aus alten Gotteslob-Exemplaren besteht. Möbel aus katholischen Gesangsbüchern? "Das ist natürlich schon etwas Besonderes, aber dass es so einschlägt, hätten wir wirklich nicht gedacht", sagt auch die Einrichtungsleiterin der Werkstätte für Menschen mit Behinderung in Straubing, Evi Feldmeier.
Die Idee, die so einfach wie genial ist, stammt eigentlich von dem österreichischen Künstler Josef Pfeiffer. Nachdem die katholische Kirche im deutschsprachigen Raum ein neues Gotteslob eingeführt hat, liegen Hunderttausende alte Exemplare in Pfarrkellern, auf Dachböden und in Kisten unbenutzt herum. Wegwerfen kommt für die meisten Pfarreien nicht infrage. Was also sonst damit tun? Pfeiffer hat eine Verwendung gefunden: In seinem Projekt "Kunst am Rand" werden aus den Gesangbüchern Designmöbel. Beistelltische, Sessel und Kommoden, deren Flächen aus den Querschnitten von Gotteslob-Büchern bestehen.
Regionale Rohstoffe
Auch in der Straubinger Pfarrei Sankt Stephan fragte man sich, wie sich die Gesangbücher wohl sinnvoll weiterverwenden ließen. Das Projekt von Pfeiffer ist schnell gefunden, und die Idee einer Zusammenarbeit mit der Werkstatt der Katholischen Jugendfürsorge (KJF) kommt auf. Der Künstler schlägt vor, dass die Straubinger Einrichtung den Rohstoff liefert. Einrichtungsleiterin Feldmeier stellt jedoch schnell fest, dass der Transport nach Österreich viel zu teuer ist. Und so kommen die hauseigene Kunstgruppe und die Schreinerei ins Spiel. Sie überlegen sich einige Prototypen und legen los.
Bis aus Gesangbüchern und Holz ein Möbelstück wird, braucht es einige Arbeitsschritte. Zunächst kommt das Gotteslob unters Messer: In einer Druckerei werden die Bücher in etwa zwei Finger breite Schnitten geteilt. Danach ist der Einsatz der Kunstgruppe gefragt. Auf einem extra angefertigten Holzrahmen werden diese "Gotteslob-Schnitten" angeleimt, so dass man den Querschnitt der Seiten sieht. Peter Jensche, Christoph Ordon und Markus Klankermeier stehen im Kunstraum und ordnen sie sorgfältig auf den Platten an.
Kistenweise alte Bücher
"Es ist schon eine tolle Idee", sagt Jensche. Ein Regal oder eine Garderobe aus den Gotteslob-Platten könnte er sich auch in der eigenen Wohnung vorstellen. Wie der Rest der Kunstgruppe arbeitet er sonst in der Wäscherei, die künstlerischen Arbeiten sind ein freiwilliges Zusatzangebot. Bisher hat die Gruppe es sich vor allem zum Ziel gemacht, aus übriggebliebenen Materialien das Gebäude zu verschönern. Holzskulpturen, Bilder und Mosaike schmücken die Gänge. Seitdem Gotteslob-Bücher kistenweise abgegeben werden, ist der Kunstgruppe klar, dass dies wohl ein längeres Projekt wird.
Damit alles robust und fest wird, kommen mehrere Schichten Harz auf die Oberfläche. Erst dann geht das Ganze zum Schreiner Karl Fischer und seinen Kollegen. Dort werden die Holzrahmen abgeschnitten, dann die scharfen Ecken und Kanten abgeschliffen. Und je nach Prototyp wir noch gedübelt und geleimt. Etwa das Kreuz, dass aus drei Einzelteilen besteht. Ein Ambo, Ministrantenbänke und kleine Engel sind auch schon entstanden. Die 14 Leute, die in der Schreinerei arbeiten, schätzen das Projekt als willkommene Abwechslung zu den Büromöbeln, die sie sonst herstellen.
Ein persönlicher Bezug zum Buch
Den Anfragen nach zu urteilen, werden sie noch eine Weile mit diesen musischen Möbeln zu tun haben, berichtet Feldmeier. Sie würde sich freuen, wenn die Pfarreien aus der Diözese, die so fleißig Gesangbücher vorbeigebracht haben, unter den Kunden wären. So kämen die Gotteslob-Bücher wieder an ihren Ursprungsort. Durch die Medienberichte haben auch viele Privatleute ihre ausgedienten Exemplare gebracht und Interesse an den Produkten angemeldet. "Da merkt man wirklich, was für ein intensiver persönlicher Bezug zum Gotteslob da ist", sagt Feldmeier. "Es ist den Leuten wirklich wichtig, dass es sinnvoll wiederverwendet wird."
Irgendwann wird jedoch der Rohstoff versiegen, das ist der Natur der Sache zuzuschreiben. Deshalb, auch wenn die Stücke nicht ganz billig werden, seien sie eben doch etwas ganz Besonderes, sagt die Chefin. Jedes ist ein Unikat, das ein Stück Kirchengeschichte in sich trägt.
Von Barbara Mayrhofer