Keine Sanktionen gegen Patriarch Kyrill I. – Unmut gegen Orban
Die EU verzichtet auf Druck Ungarns auf Sanktionen gegen den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. Das sechste Maßnahmenpaket gegen Einrichtungen und Personen, die das Regime von Russlands Präsident Wladimir Putin stützen, wurde am Donnerstag von Vertretern der EU-Staaten ohne Restriktionen gegen den einflussreichen und finanziell vermögenden Kirchenführer gebilligt.
Die russisch-orthodoxe Kirche dankte Ungarn für das Abwenden von EU-Sanktionen gegen ihr Oberhaupt. Das Außenamt des Moskauer Patriarchats teilte auf seiner Internetseite mit, sein Chef Metropolit Hilarion habe bei einem Besuch in Budapest im Namen der Kirche die "harte Haltung" der ungarischen Regierung gegen geplante EU-Restriktionen gegen Kyrill gewürdigt.
Aus Diplomatenkreisen hieß es, Ungarn habe durch sein Verhalten "letzte Sympathien bei seinen ehemaligen Freunden in Osteuropa verspielt". Als Urheber der kurzfristigen Änderung gilt Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban. Dieser erklärte laut ungarischen Medien, die Position seines Landes zu einer möglichen Sanktionierung sei seit langem bekannt. Auf dem EU-Gipfel Anfang der Woche habe sich niemand dagegen ausgesprochen.
"Absolut unglücklich"
Der litauische EU-Abgeordnete Petras Austrevicius nannte die Entscheidung "absolut unglücklich". Patriarch Kyrill sei "Teil des russischen inneren Zirkels" und des ideologischen Kommunikationsapparats sowie Putin ergeben, sagte der liberale Politiker und frühere Diplomat auf Anfrage. Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis war im April nachdrücklich für Sanktionen gegen Kyrill eingetreten, weil dieser den Krieg gegen die Ukraine befürworte.
Die EU zeige sich nicht geeint, sagte Austrevicius. "Orban sollte gemaßregelt werden, politisch, finanziell, jeder Art." Der ungarische Regierungschef habe "als Europäer versagt". Austrevicius ergänzte, die Ungarn seien mehrheitlich keine orthodoxen Christen. Er habe daher "keine Ahnung", warum sich Budapest für den Moskauer Patriarchen stark mache. "Orban ist ein Störenfried, das ist alles", sagte Austrevicius.
Die Interessensvertretung der Bischöfe bei der Europäischen Union, COMECE, hatte kurz vor dem Sanktionsbeschluss am Donnerstag ausweichend auf die Frage geantwortet, ob der Patriarch von Strafmaßnahmen ausgenommen bleiben sollte, etwa um eigene Gläubige in der EU besuchen zu können. "Wir evaluieren diese delikate Situation sorgfältig und haben vorerst keine Kommentare dazu", erklärte die Bischofskommission. (tmg/KNA)
3.6., 15:15 Uhr: Ergänzt um Reaktion der russisch-orthodoxen Kirche.