"Ernsthafte und systembedingte Störungen" seit Gründung

Brüssels Kardinal löst Charismatiker-Gemeinschaft auf

Veröffentlicht am 27.06.2022 um 13:50 Uhr – Lesedauer: 

Brüssel ‐ Bei einer bischöflichen Visitation seien "schwerwiegende und systemische Störungen" beobachtet worden: Brüssels Kardinal Jozef De Kesel hat daher entschieden, die Neue Geistliche Gemeinschaft "Verbe de Vie" aufzulösen.

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Der Brüsseler Kardinal Jozef De Kesel löst die Neue Geistliche Gemeinschaft "Verbe de Vie" (Wort des Lebens) auf. Schon seit der Gründung 1986 gebe es in der Gemeinschaft "ernsthafte und systembedingte Störungen", zitieren französische und belgische Kirchenmedien den Erzbischof von Mecheln-Brüssel.

Die Entscheidung wurde demnach am Samstag den in der Abtei Notre-Dame de Vives Fontaines d'Andecy in Baye (Marne) versammelten Gemeindeleitern mitgeteilt. Die Nachricht überbrachte der Generalvikar des Erzbistum Mecheln-Brüssel, dem die Gemeinschaft angegliedert ist, Etienne Van Billoen. Die Auflösung soll zum 1. Juli 2023 erfolgen. Nach Informationen der Zeitung "La Croix" wurde die Entscheidung im Einvernehmen mit den zuständigen vatikanischen Behörden getroffen.

Die Charismatiker-Gemeinschaft "Verbe de Vie" genoss den Status einer privaten Vereinigung von Gläubigen. Sie zählt zu den sogenannten Neuen Geistlichen Gemeinschaften, in die vor allem Papst Johannes Paul II. (1978-2005) große Hoffnungen für eine kirchliche Neubelebung setzte. "Verbe de Vie" wurde 1986 von Marie-Josette und Georges Bonneval in Frankreich gegründet, wo sie auch noch drei Niederlassungen unterhält. 2010 holte De Kesels Vorgänger Andre-Joseph Leonard die Gemeinschaft ins Erzbistum Mecheln-Brüssel.

Visitation zu Jahresbeginn

Die Auflösung erfolgt nach einer bischöflichen Überprüfung ("Visitation"), die zwischen Januar und April erfolgte. Die drei mit der Prüfung beauftragten Besucher hörten laut Bericht mehr als 200 Menschen an und hätten dabei "schwerwiegende und systemische Störungen" beobachtet. Laut der französischen Wochenzeitung "La Vie" hätten die Visitatoren insbesondere bemerkt, dass "die Verantwortlichen für Verbe de Vie alles getan haben, um die Wahrheit vor den Bischöfen zu verbergen und sie zu manipulieren".

Für die Verantwortlichen, so das Magazin weiter, "war es daher unmöglich, auf einer soliden Basis neu anzufangen". Alle Versuche, die eigene Ausrichtung zu verdeutlichen, "sich selbst eine stabile Lebensregel zu geben, eine gelassene Führung zu gewährleisten und im Wort des Lebens die Achtung eines jeden und das Vertrauen zu garantieren, sind gescheitert", erklärte Kardinal De Kesel. Er beauftragte den Bischof von Chalons, Francois Touvet, mit der Verwaltung der Gemeinschaft bis zu ihrer Auflösung. Der Brüsseler Erzbischof betonte, allen Mitgliedern der Gemeinschaft "individuelle Begleitung und Orte der Gastfreundschaft anzubieten", um ihnen eine neue persönliche Orientierung zu ermöglichen.

Dem Gründerpaar und seinen engen Mitarbeitern wird laut den Berichten ein manipulativer Umgang mit den Mitgliedern vorgeworfen. Von diesen Defiziten habe sich die Gemeinschaft auch trotz einer ersten Visitation vor 20 Jahren durch den damaligen Bischof von Tulle, Bernard Charrier, nicht wirklich befreien können. 240 Menschen hätten die Gemeinschaft binnen 30 Jahren verlassen. (KNA)