Gotteshäuser nicht zu "billigen Eventlocations" degradieren

Käßmann kritisiert Lindner-Trauung: Kirche war nur Kulisse

Veröffentlicht am 10.07.2022 um 10:04 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Warum durfte Finanzminister Christian Lindner seine Frau Franca Lehfeldt in einem Gotteshaus heiraten? Schließlich sind beide aus der Kirche ausgetreten. Margot Käßmann fordert daher schnellstmöglich die Schließung dieser Rechtslücke.

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Die evangelische Theologin Margot Käßmann hat die kirchliche Trauung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) und der Journalistin Franca Lehfeldt kritisiert. "Weshalb wünschen zwei Menschen eine kirchliche Trauung, die bewusst aus der Kirche ausgetreten sind, ja öffentlich erklärt haben, dass sie sich nicht als Christen verstehen?", schrieb Käßmann in ihrer Kolumne für "Bild am Sonntag". Hier sei es nicht um christlichen Inhalt, sondern um eine Kulisse gegangen, erklärte die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Dafür aber sollte sich die Kirche nicht hergeben. Die hannoversche Regionalbischöfin Petra Bahr warf Käßmann daraufhin vor, sie urteile über die Motive eines Paares, obgleich sie beim vorbereitenden Traugespräch nicht dabeigewesen sei.

Gotteshäuser seien vielmehr Orte, in denen Menschen über Jahrhunderte Freud und Leid vor Gott bringen, so Käßmann weiter. "Sie sind durchbetete Räume, die Trost spenden." Durch Kirchenmitgliedschaft und ehrenamtliches Engagement werde der Erhalt dieser Räume ermöglicht. Käßmann kritisierte, dass in dem Trau-Gottesdienst der Philosoph Peter Sloterdijk eine Rede gehalten habe, der einmal das Christentum als "gescheitertes Projekt" bezeichnet hatte.

Rechtslücke solle schnellstmöglich geschloßen werden

Es sei richtig, dass mindestens ein Ehepartner Kirchenmitglied sein müsse, damit eine kirchliche Trauung stattfinden könne, betonte Käßmann. Gebe es an dieser Stelle eine Rechtslücke, sollte sie schnellstmöglich geschlossen werden: "Sonst degradieren wir unsere traditionellen Räume, in denen Christen Gott die Ehre geben, zu billigen Eventlocations."

Die Theologin Bahr schrieb auf Twitter, grundsätzlich könne man mit guten Gründen darüber streiten, wie mit einem solchen Fall umzugehen sei. "Was meines Erachtens gar nicht geht: Motive eines Paares ohne das pastorale Involviertsein zu diffamieren. Das ist unevangelisch."

Linder und Lehfeldt hatten am Samstag in der evangelischen Kirche St. Severin in Keitum auf Sylt geheiratet. Der evangelische Bischof von Schleswig und Holstein, Gothart Magaard, hatte die kirchliche Trauung verteidigt. Zwar sehe die Lebensordnung der Nordkirche vor, dass bei einer Trauung mindestens ein Partner Mitglied sein soll. Ausnahmen lägen jedoch im Ermessen des Seelsorgers. "Es ist etwas Wunderbares, wenn sich zwei Menschen den Segen Gottes zusprechen lassen wollen", betonte der Theologe. Laut Medienberichten sind Lindner und Lehfeldt keine Kirchenmitglieder mehr: Der Bundesfinanzminister sei aus der katholischen, die Journalistin aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung betrachten sich beide als "liberale Freigeister". (rom/epd)

10.07., 15 Uhr: ergänzt um weitere Details.