Corona und Ukraine-Krieg "wie ein Damoklesschwert" über Passionsspielen

Wenn Jünger plötzlich am Kreuz hängen: Zwischenbilanz aus Oberammergau

Veröffentlicht am 27.07.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Oberammergau ‐ Über die Hälfte der angesetzten Aufführungen bei den 42. Oberammergauer Passionsspielen ist absolviert. Welche Herausforderungen bisher bei Spielern und Musikern zu bewältigen waren, davon erzählten Mitwirkende in der Theaterkantine.

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Auf dem Weg, den er nun zu gehen habe, könnten die Apostel ihm nicht folgen. Das macht Jesus beim Letzten Abendmahl seinen Jüngern klar. Doch auf Golgotha hängen dann auf einmal zwei seiner Apostel mit Jesus-Darsteller Frederik Mayet am Kreuz. Auch für ihn ein ungewöhnliches Gefühl, wie er sagt. Doch in der Not muss eben auch mal ein Jünger ran – zumindest bei den Oberammergauer Passionsspielen. Denn als jüngst beide Schächer – die Verbrecher, die mit Jesus zusammen gekreuzigt wurden – erkrankten, musste Ersatz her.

Vor der Vorstellung sei Spielleiter Christian Stückl auf ihn zugekommen und habe gefragt, ob er einspringen könne, erzählt Yannick Schaap – und der 21-Jährige wollte. Im ersten Teil spielte er den Apostel Jakobus Alphäus. Im zweiten, wo er eigentlich keinen Auftritt mehr gehabt hätte, wurde er hingerichtet. In der Pause lernte er noch schnell den dazu gehörigen Text auswendig. Außerdem gab es eine kurze Hänge-Probe am Kreuz, damit eine von den drei möglichen Halterungen ihn auch sicher hielten. "Krasse Erfahrung", sagt er. Die der junge Mann dann insgesamt fünfmal machen durfte, inklusive der anschließenden Abnahme. Da müsse man den Mitspielern voll vertrauen, meint er.

Großer Zusammenhalt

Am 19. Juli war Halbzeit bei den 42. Passionsspielen in Oberammergau. Über 50 Mal sind Mayet und der zweite Jesus (Rochus Rückel) dann bereits bei den Aufführungen gekreuzigt, gestorben und begraben worden. Stückl lobte bei der vorläufigen Bilanz vor Journalisten seine Leute. Es gebe einen großen Zusammenhalt; bei allen sei nach wie vor eine hohe Ernsthaftigkeit zu spüren. 2010 habe er im Juli noch Motivationsreden halten müssen und mit zusätzlichen Proben gedroht. Dieses Mal sei das kein Thema: "Aber ich will es nicht verschreien."

Bei den zwölf Aposteln gibt es eine Strafkasse, in die einbezahlt werden muss. Einfaches Lachen auf der Bühne kostet 2 Euro, extensives 5 Euro. Wer einen Satz vergisst, sein Kostüm nicht ordentlich gerichtet hat oder gar eine Szene verschläft, muss ebenfalls löhnen. Für's gemeinsame Feiern komme da eine nette Summe zusammen, heißt es.

Passionsspiele Oberammergau
Bild: ©KNA/Dieter Mayr (Archivbild)

Wenn die Apostel einen Satz vergessen, müssen sie in eine Strafkasse einzahlen. Auch weitere "Vergehen" werden bestraft.

Voll des Lobes für seine Orchester- und Chormitglieder ist gleichfalls der musikalische Leiter Markus Zwink. Die Chormitglieder seien wie ihre Schauspielkollegen zunehmend in ihrer Bühnenpräsenz sicherer geworden. Dass man in jeder Stimmlage immer auf fünf Solisten zurückgreifen könne, habe so manche Krankheitsausfälle kompensiert. Bei den Instrumentalisten sei es vor allem bei den einzigen drei Hörnern mal brenzlig geworden. "Jeder Tag wird spannend", fasst es der Dirigent zusammen.

Dazu komme, dass die Kinder im Chor manchmal lieber eines der vielen Tiere wie die Ziegen oder Schafe bei der Tempelreinigung halten wollten und dann das Singen vergessen würden, so Zwink. Manche der Kleinen mampften beim Einzug in Jerusalem zudem lieber das von Jesus gereichte Brot und vergäßen dabei weiter Hosianna zu singen.

Zufrieden mit Auslastung

Den Zuschauerinnen und Zuschauern dürfte dies alles nicht aufgefallen sein. Bisher liegt die Auslastung bei 85 Prozent, freut sich Geschäftsführer Walter Rutz. Besonders die Nachfrage nach Karten aus Deutschland sei groß. Ob man noch auf 90 Prozent komme, bleibe abzuwarten: "Corona und die Ukraine hängen wie ein Damoklesschwert über uns." Am Ende hofft Bürgermeister Andreas Rödl auf einen Gewinn für die Gemeinde von 25 Millionen Euro. Doch auch hier gilt es erstmal abzuwarten.

Stückl erinnerte daran, dass 1920 die Passionsspiele wegen der Spanischen Grippe und den Folgen des Ersten Weltkriegs auch um zwei Jahre auf 1922 verschoben worden waren. Den damals erzielten Gewinn fraß 1923 dann die gewaltige Inflation auf. Sein Urgroßvater, erzählt Mayet, habe sich damals von seinem Honorar noch rechtzeitig für 100 Mark ein Grundstück von 1.400 Quadratmetern in Oberammergau sichern können. Wie es im Herbst nach Ende der Spielzeit weitergehen wird, bleibt abzuwarten. Ob Stückl für die Passion 2030 noch einmal als Spielleiter antreten wird, lässt er offen: "Ich bin nicht einer, der an seinem Posten hängt." Gerne würde der 60-Jährige Jüngere sehen, die ihm nachfolgen.

Von Barbara Just (KNA)