Parallelen zum Synodalen Weg

Die Kirche und die Würzburger Synode: Neues Buch erzählt von damals

Veröffentlicht am 09.08.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Blick in den Synodensaal in Würzburg 1974.
Bild: © KNA

Freiburg ‐ Synodaler Weg heißt das Reformvorhaben der katholischen Kirche in Deutschland heute. Vor einem halben Jahrhundert gab es bereits etwas ähnliches: die Würzburger Synode. Ein neues Buch greift zentrale Themen der Versammlung auf.

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Woran glauben Christen eigentlich, und was dürfen sie hoffen? Eine berechtigte Frage in Krisenzeiten wie diesen. Denn wie genau kann heute "Ein Bekenntnis zum Glauben in dieser Zeit" aussehen? Ein jetzt im Freiburger Herder-Verlag erschienenes zweibändiges Werk mit diesem Titel gibt darauf eine Antwort – die ist allerdings ein halbes Jahrhundert alt.

Was heute als katholisches Reformvorhaben von Bischöfen und Laien "Synodaler Weg" heißt, trug Anfang der 1970er Jahre den Namen "Gemeinsame Synode der Bistümer der Bundesrepublik Deutschland". Auch damals, in Würzburg, sahen sich die Katholiken in einer Umbruchsituation, es ging um Aufbrüche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) auf der einen Seite und die schwindende Bindungskraft ihrer Kirche in einer immer stärker säkularisierten Gesellschaft auf der anderen Seite.

Die Themen von damals waren allergrößtenteils die von heute: eine gesellschaftlich kaum ernst genommene Sexualmoral, der innerkirchliche Umgang mit Macht und die Rolle der Frauen, die zwar die Hälfte der Mitglieder ausmachen, deren faktische Einflussmöglichkeit aber eher bei null liegt. Am Ende verabschiedete die Würzburger Synode 18 Beschlüsse und 6 Arbeitspapiere. Von Anfang an gab es das Interesse, die Dokumente mit ihren unterschiedlichen Themen theologisch zusammenzuführen.

Eine Theologie mit dem "Gesicht zur Welt"

Der Münsteraner Theologe Johann Baptist Metz (1928-2019) erhielt deshalb den Auftrag, sich an einem solchen Stück zu versuchen. Entstanden ist sein Text "Unsere Hoffnung" – das wirkungsgeschichtlich mit Abstand wichtigste Papier der Würzburger Jahre. Darin fragt Metz nach einer Theologie mit dem "Gesicht zur Welt" – es geht ihm nicht um die vermeintlich ewigen Wahrheiten, sondern das konkrete Leben hier und jetzt: Wo, um es theologisch zu formulieren, greifen Glaubensgeschichte und Lebensgeschichte ineinander?

Der emeritierte Wiener Philosoph und Theologe Johann Reikerstorfer hat sich der Mühe unterzogen, die bislang unveröffentlichten Tonbandaufzeichnungen der Vorlesungen über "Unsere Hoffnung" zu verschriftlichen und zu editieren – Metz hatte ihm das Material vor seinem Tod überlassen. Herausgekommen sind rund 550 Seiten Spurensuche nach Gott. Der Österreicher spricht vom "theologischen Ringen um die sinngebende Orientierungskraft des christlichen Glaubens" – von Metz formuliert in der intellektuellen Auseinandersetzung mit Andersdenkenden.

Metz während eines Vortrages an der Uni Münster.
Bild: ©KNA (Archivbild)

Der Münsteraner Theologe Johann Baptist Metz erhielt den Auftrag, die Dokumente der Würzburger Synode zu unterschiedlichen Themen theologisch zusammenzuführen.

Was sagt das über den Reformeifer beim Synodalen Weg, über die Fragen, die heute zu beantworten sind? Reikerstorfer sieht bei den Debatten in Frankfurt im Vergleich zu einem halben Jahrhundert davor eine "große Theologiearmut". Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) fragt er, ob der von Metz formulierte politische Anspruch des Christentums bei den Beratungen nicht komplett ignoriert wird. Vielleicht, indes, kommt Theologie in Frankfurt so selten vor, weil sie, wie Metz es sagt, "auf die Rede von Gott verpflichtet ist".

Wenige Wochen vor der nächsten Versammlung steht das ganze synodale Projekt erheblich unter Druck – national und international, von rechts und von links. Und selbstredend aus Rom, von wo die katholische Kirche im vergangenen Monat wieder ein Brief erreichte. Zwar ohne persönlichen Absender und ohne Unterschrift, dafür aber mit der Warnung vor einem deutschen Sonderweg.

"Viel Kirchenrecht und wenig Theologie"

Der Synodale Weg muss nun Fragen beantworten, extern und intern: Geht es in Frankfurt in erster Linie um das Abarbeiten einer – für viele nachvollziehbaren – kirchenpolitischen Agenda – und weniger um Theologie? Was sagt es über den Synodalen Weg aus, wenn beim Stuttgarter Katholikentag der religiös neutrale Bundespräsident den Stand des Reformprojekts aufsucht, zum Weitermachen ermuntert – und sich die Verantwortlichen darüber sehr freuen? Steht die Professorenschaft nicht auf dem falschen Gleis, wenn sie sich – anstelle der Bischöfe – in Kirchenpolitik verhakt, statt die Frage nach dem Glauben heute wissenschaftlich aufzuarbeiten? Und warum, so ein Vorwurf von Theologen aus dem Ausland, haben sich die Deutschen vor Beginn des Prozesses nicht besser vernetzt?

Reikerstorfer spricht mit Blick auf den Synodalen Weg von "viel Kirchenrecht und wenig Theologie" – wobei die meisten katholischen Kirchenrechtler inzwischen weiten Abstand zum Synodalen Weg halten. Denn für sie ist klar, dass eine Synode nur sehr wenig bewirken kann, wenn nicht am Ende der Papst zustimmt. Das war schon vor einem halben Jahrhundert so, als die Würzburger Synode ihre Beschlüsse nach Rom schickte – und anschließend noch nicht mal eine Antwort erhielt. Insofern könnte man sagen, dass Metz und sein theologischer Ansatz – machtpolitisch betrachtet – am Ende nicht erfolgreich waren. Aber zumindest hat er "Ein Bekenntnis zum Glauben in dieser Zeit" und "Unsere Hoffnung" formuliert.

Von Michael Jacquemain (KNA)