Über Kreuz
Für die seit längerem stockenden Annäherungsbemühungen zwischen der römischen Kirchenleitung und den abtrünnigen Piusbrüdern spielt der Ausgang des Rechtsstreits keine Rolle. Selbst Williamsons frühere Mitbrüder wollen heute nichts mehr von ihm wissen. Die Traditionalistenvereinigung hat ihren einstigen Bischof im Herbst rausgeworfen - allerdings nicht wegen seiner Verharmlosung des Holocausts, die er bis heute inhaltlich nicht zurückgenommen hat, sondern wegen fortgesetzter Unbotmäßigkeit. Seither äußert man sich nicht mehr zu dem "Ex".
Von den Piusbrüdern ausgeschlossen
Williamson zählte nie zu den Freunden einer Aussöhnung mit Rom. Mit seinem Oberen lag er schon länger über Kreuz: Er hielt sich nicht an ein ihm auferlegtes Publikationsverbot und nutzte kräftig das Internet, um weiter zu zündeln. Im Juli forderte er gar die Absetzung des Generaloberen Bernard Fellay.
Dass der Exzentriker bald darauf ausgeschlossen wurde, kam nicht mehr wirklich überraschend. Das heißt aber nicht, dass die Piusbrüder mit seiner Verbannung ihre antijüdischen Ressentiments abgeschüttelt hätten. Ende Dezember titulierte deren Leiter Fellay vor Mitbrüdern in Kanada "Juden, Freimaurer und Modernisten" pauschal als "Feinde der Kirche". Der Vatikan sah sich zu einer klaren Distanzierung veranlasst.
Williamson will angeblich Priester und Bischöfe weihen
Im Internet wird heftig spekuliert, was die "Ex-Exzellenz" Williamson nun weiter im Schilde führt. Der Brite ist inzwischen auch aus seiner Unterkunft bei den Piusbrüdern in London ausgezogen, wohnt aber weiter in der Hauptstadt. Bei Freunden, sagt sein Anwalt Edgar Weiler. In seinen wöchentlichen Kommentaren auf einer anonymen Website deutete der 72-Jährige unlängst an, er könnte künftig selbst Priester und gar Bischöfe weihen, also ein weiteres Schisma in Gang bringen.
De facto verleiht ihm sein kirchenrechtlicher Status aus katholischer Sicht die Möglichkeit, dogmatisch gültige, wenn auch unerlaubte Weihen zu spenden. Jedoch erscheint fraglich, wie viele Anhänger der Piusbrüder und darüber hinaus aus dem in sich zersplitterten traditionalistischen Spektrum ihm auf diesem Weg folgen würden. Ein gewisses Potenzial dafür wäre vermutlich in Nord- und Südamerika vorhanden.
Bei Neonazis und Revisionisten ist Williamson ebenfalls hoch willkommen. Im Fall eines Freispruchs könnten sie ihn genauso feiern wie bei einer neuerlichen Verurteilung: entweder als verfolgte Unschuld oder als unbeugsamen Märtyrer.
Viele Prozessbeobachter erwartet
Bereits im Juli 2011 zog der Prozess gegen Williamson in Regensburg ein buntes Völkchen von Prozessbeobachtern an: Außer einem Großaufgebot an Journalisten kamen eine ehemalige britische Schönheitskönigin, die Williamson und andere Holocaustleugner schon länger unterstützt, die einschlägig vorbestrafte Freundin eines vom prominenten RAF-Anwalt zum Rechtsradikalen Gewendeten und gerichtsbekannte Volksverhetzer.
Was an dem "Heldenbischof" für unbelehrbare Rechtsextremisten heldenhaft sein soll, erschließt sich jedoch selbst in deren Perspektive nicht so leicht. Folgt man der Argumentation von Williamsons Anwalt, dann sind seinem Mandanten die Äußerungen zum Holocaust von hinterlistigen Journalisten praktisch gegen dessen Willen entlockt und verbreitet worden. Ein Propagandist verhält sich anders.
Von Christoph Renzikowski