Eine Kardinalsversammlung wirft Fragen auf

Vor Konsistorium: Warum lädt der Papst alle Kardinäle nach Rom?

Veröffentlicht am 22.08.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Wenige Tage sind es bis zum lang erwarteten Konsistorium, bei dem der Papst 20 neue Kardinäle kreiert. Doch verbirgt sich hinter dem Termin und dem darauffolgenden Austausch mit den Kardinälen zur Kurienreform mehr?

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"Nicht im Moment, nicht in nächster Zeit". Papst Franziskus hat in den ersten Juli-Wochen in mehreren Interviews Rücktrittsgerüchten den Garaus gemacht. Seine Reise nach L'Aquila zum Grab von Coelestin V., dem ersten Papst, der einen Rücktritt ermöglichte und zurücktrat: Zufall. Auch wenn er grundsätzlich einen Rücktritt nicht ausschließt und den Schritt seines Vorgängers Benedikt XVI. achtet – Franziskus will weitermachen. So gibt es Reisepläne für den Spätsommer, unter anderem ein mögliches Treffen mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill I. in Kasachstan, eventuell ein Ukraine-Besuch.

Aber da wäre noch die bevorstehende Kardinalsversammlung zur Ernennung neuer Purpurträger am 27. August. Das ungewöhnliche Datum in der italienischen Sommerpause und das darauffolgende Treffen zur neuen Kurienreform mit den Kardinälen wirft weiter Rätsel auf. Geht es in diesen Tagen tatsächlich darum, die Apostolische Konstitution "Praedicate Evangelium" im Detail zu beleuchten oder steckt mehr dahinter? "Da kommt etwas Großes, aber es ist kein Rücktritt", so ein Vatikaninsider. Doch was ist es?

Eine These wäre, dass Franziskus einen Rücktritt in näherer oder ferner Zukunft konkreter gestalten möchte. Bis dato gibt es kaum Vorgaben im kanonischen Recht. Das Dekret von Papst Coelestin ist vage. Dieses Vakuum missfällt Franziskus. Kirchenrechtler sehen hier großen Klärungsbedarf. Experten verschiedener Nationen haben sich daher bereits im vergangenen Jahr zusammengeschlossen und Vorschläge formuliert.

Vorschläge für Rücktritt und Amtsunfähigkeit des Papstes

Auf einer Internetplattform stellen die Wissenschaftler ihre Ideen seither zur kirchenrechtlichen Diskussion. So schlagen sie vor, dass ein Amtsverzicht unwiderruflich ist und idealerweise schriftlich auf einer Kardinalsversammlung verkündet werden sollte. Zugleich solle der zurücktretende Papst alle Ämter verlieren, auch Ehrenämter. Und er sei danach nicht mehr Papst, auch kein Kardinal, sondern emeritierter Bischof von Rom. Genau das, was Franziskus für einen möglichen Rücktritt selbst in Erwägung zieht – abweichend von seinem Vorgänger, Papst emeritus Benedikt XVI.

Rund um Franziskus' schwere Darm-Operation im vergangenen Jahr war die Frage aufgekommen, was passieren würde, wenn der Papst – zeitweise oder dauerhaft – amtsunfähig wäre, etwa in ein Koma falle. Auch hierzu gibt es Vorschläge der Kirchenrechtler. Etwa, dass die Leitung bei einer vorübergehenden Amtsunfähigkeit dem Kardinalskollegium obliege. Dieses solle wiederum mit absoluter Mehrheit fünf Kardinäle bestimmen, welche die ordentlichen Angelegenheiten des Papstes übernähmen.

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Jetzt ist es öffentlich: 21 Kirchenmänner werden im August Kardinäle. Bei den Ernannten aus aller Welt sind einige die ersten Kardinäle ihres Landes. Auch sonst gibt es einige Besonderheiten bei den neuen Purpurträgern.

Währenddessen müsse der gesundheitliche Zustand des Papstes fortlaufend von einem Gremium internationaler Ärzte begutachtet werden. Und falls die Amtsunfähigkeit dauerhaft sei, müsse auch hierüber mit gebührendem Abstand von sechs Monaten von den Kardinälen entschieden werden. Dann erst gelte der Papststuhl als vakant.

All diese schwerwiegenden Fragen könnte Franziskus bei der Kardinalsversammlung angehen. Denkbar wäre auch, dass "das Große" darüber hinaus geht. Dass Franziskus die Eminenzen auf eine Reform der nächsten Papstwahl einstimmt. Die letzte umfangreiche Änderung der Konklave-Ordnung setzte 1996 Johannes Paul II. in Kraft.

Veränderungen bei der Papstwahl? 

Er sorgte dafür, dass die Papstwähler ein richtiges Bett statt der Schlafkoje bekamen, und schaffte die Krönung ab. An der Zusammensetzung des Konklave änderte er nichts. Auch die Bischofssynode bezog er nicht ein, was debattiert worden war. Benedikt XVI. nahm kleinere Änderungen vor, die vor allem das Zustandekommen der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit betrafen.

Franziskus hat das bestehende Kardinalskollegium bereits internationaler und jünger gemacht. Zudem veränderte er mit seiner im März veröffentlichten Kurienreform das Wesen der weltkirchlichen Zentralverwaltung. Sie soll sich stärker als Diener der Ortskirchen verstehen, weniger als Schaltzentrale der Macht. Die laufende Weltsynode hat zum Ziel, das Miteinander von Kurie, Welt- und Ortskirche dauerhaft zu verändern. Das Zuhören und vor allem das Wahrnehmen und das Einsichtsvermögen aller Gläubigen soll geschärft werden.

Mit einer Konklave-Reform könnte Franziskus einen Schritt wagen, den seine Vorgänger nicht gingen. Er könnte die Versammlung der Papstwähler öffnen, die Bischofssynode mit einbeziehen und vielleicht in der Vorwahlphase eine stärkere Beteiligung der Ortskirchen schaffen – eventuell bis hin zu den Gläubigen. Vielleicht kombiniert Franziskus auch Rücktritts-, Vertretungs-, und Wahlregeln. Noch sind all dies Spekulationen, aber nicht mehr lange.

Von Anna Mertens (KNA)