Kommission: 513 Betroffene von Missbrauch im Bistum Trier
Die seit Juni 2021 tätige Unabhängige Kommission (UAK) zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistums Trier hat in einem ersten Zwischenbericht neue Zahlen vorgelegt. Demnach konnten bisher für den Zeitraum von 1946 bis 2021 insgesamt 513 Betroffene von Missbrauch im Verantwortungsbereich des Bistums "namentlich oder anonym identifiziert werden", teilte die Kommission am Donnerstag in Trier mit. Von den 513 Betroffenen seien 162 weiblich und 311 männlich. Für 40 Betroffene fehlten Angaben zum Geschlecht. Als Beschuldigte beziehungsweise überführte Täter des sexuellen Missbrauchs seien inzwischen 195 Personen erfasst.
Die Kommission kritisierte zugleich "den Umstand, dass und wie vermeintliche oder überführte Täter innerhalb und außerhalb des Bistums versetzt wurden und dass es am neuen Ort erneut zu Missbrauchstaten an Jugendlichen und Kindern kam". Weiter hieß es: "Zumindest in einer großen Reihe von Fällen wurden seitens des Bistums aus Sicht der UAK keine Maßnahmen zum Schutz potenziell Betroffener vor sexuellem Missbrauch vorgenommen."
Studie über Amtszeit von Bischof Stein für Mitte Oktober angekündigt
Die Kommission unter Vorsitz des früheren rheinland-pfälzischen Justizministers Gerhard Robbers (SPD) kündigte an, bis Mitte Oktober eine erste Studie zum Missbrauchsgeschehen in der Ära des früheren Trierer Bischofs Bernhard Stein (1904-1993) vorzulegen. Ihm wird vorgeworfen, in seiner Amtszeit von 1967 bis 1980 von sexuellem Missbrauch durch Kleriker an Kindern gewusst und Täter gedeckt zu haben.
Die Kommission stellte darüber hinaus mehrere aktuelle Forderungen an das Bistum: Zum einen sei es "unabdingbar", dass man die bisherige Praxis zur Gewährung von Akteneinsicht für Betroffene "deutlich verbessert". Nötig sei, dass das Bistum den Betroffenen "mit einem transparenteren und wenig aufwändigen Verfahren" Einsicht in die sie und ihren Fall betreffenden Akten einräume.
Gefordert wird zudem, dass das Bistum Betroffene "regelmäßig" und "intensiver" über den Fortgang des kircheninternen Verfahrens unterrichtet, das in Verfolgung des jeweiligen Missbrauchs initiiert worden sei. "Klar erkennbar ist, dass die Situation der Betroffenen in der kircheninternen Bearbeitung der Fälle viel zu wenig beachtet wurde", heißt es in dem Bericht wörtlich.
Verfahren zur Anerkennung des Leids "sehr formell organisiert"
Außerdem sei das Verfahren zur Anerkennung des Leids "sehr formell organisiert". Betroffene beklagten, dass die Bearbeitung der Verfahren sehr lange dauere. Es scheine unumgänglich, für die Betroffenen über dieses Verfahren hinaus eine langfristige Beratungs- und Anlaufstelle zu schaffen – "entweder in Form einer besonderen Seelsorge oder durch eine unabhängige Ombudsstelle".
Auf Anregung der UAK sei eine Stiftung gegründet worden, "die die Erfüllung der finanziellen Erfordernisse der Aufarbeitung sicherstellt und die Unabhängigkeit der Kommission zusätzlich stärkt". Die Stiftung habe den Zweck, "in den Bereichen Wissenschaft und Forschung, Bildung und Soziales die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Bistum Trier zu fördern". Eine Aufgabe der Stiftung sei auch "die Initiierung entsprechender Studien zum sexuellen Missbrauch im Bistum".
Seit der konstituierenden Sitzung der UAK am 26. Juni 2021 gab es den Angaben zufolge 21 Treffen. Die UAK ist ein sieben Mitglieder umfassendes Gremium aus Missbrauchsbetroffenen und Fachleuten aus verschiedenen Berufen.
Unabhängigkeit der Kommission in Frage gestellt
Durch den Umstand, dass die Mitglieder der Kommission durch den Ortsbischof – also Bischof Stephan Ackermann – berufen wurden, hätten Betroffene und Teile der Öffentlichkeit die Unabhängigkeit der Kommission in Frage gestellt, hieß es weiter. Zwar halte die UAK die Zweifel an ihrer Unabhängigkeit für unbegründet, werte diese Diskussion aber "als einen Beleg für den allgemeinen Verlust an Glaubwürdigkeit vor allem der katholischen Kirche". Die UAK erwäge deshalb, "ob es förderlich wäre, wenn die Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung gegen sexuellen Kindesmissbrauch in die Berufung der Kommission einbezogen würde".
Der Zwischenbericht enthält auch zwei gravierende historische Fallbeispiele von katholischen Geistlichen aus den 1950er Jahren ("Fall Paul Krischer") sowie aus den 1960er und 1970er Jahren ("Fall Franz Engelhardt"). Diese Fälle dokumentieren laut UAK die damalige "Praxis der Bistumsleitungen, Fälle sexuellen Missbrauches intern zu regeln und vor der Öffentlichkeit, ja sogar vor dem Zugriff der staatlichen Strafverfolgungsbehörden zu verbergen". Der in letzter Zeit viel diskutierte Fall "Karin Weißenfels" wird im Zwischenbericht nicht eigens aufgeführt. (KNA)
25.8., 16:30 Uhr: Ergänzt um weitere Details