Alles nur Rhetorik?
Frage: Mit welchem Fokus und in welchen Projekten engagiert sich Caritas international in Nordkorea?
Reinhard Würkner: Der Schwerpunkt unseres 2004 begonnenen Engagements liegt derzeit im Gesundheitssektor. So organisieren wir Impfkampagnen von Kindern und Jugendlichen. Zum anderen - und das ist unser Hauptarbeitsgebiet - unterstützen wir Tuberkulosekranke in landesweit rund 100 Rehabilitationszentren. Zudem bauen wir in Kooperation mit der Welthungerhilfe in diesen TB-Rehazentren Gewächshäuser auf, die mit Solarenergie beheizbar sind, um die Versorgung mit frischem Obst und Gemüse zu verbessern.
Frage: Welche Probleme haben Sie bei der Arbeit im wohl am stärksten abgeschotteten Land der Welt?
Würkner: In den letzten Jahren gab es eigentlich kaum noch Schwierigkeiten. Unser fester Mitarbeiter konnte sich weitgehend frei bewegen. Wir arbeiten auch mit den staatlichen Stellen wie den Gesundheitsbehörden gut zusammen. Wie es nun allerdings vor dem Hintergrund der aktuellen Krise weitergeht, müssen wir abwarten.
Frage: Stärken Sie aber durch ihre Arbeit, gerade in Kooperation mit staatlichen Stellen, nicht indirekt das Regime in Pjöngjang?
Würkner: Nein, das sehe ich nicht so. Wenn wir Jugendliche impfen, fördern wir damit ja nicht deren Regimetreue. Oder die Tuberkulose-Kranken: Das ist doch keine Gruppe, die zur Stabilisierung des Regimes beiträgt! Unser Anspruch ist es, Arme und Kranke nicht zu vergessen, egal unter welchem Regime sie leben.
Frage: Hat Nordkorea ein funktionierendes Gesundheitssystem?
Würkner: Sicherlich müsste die Gesundheitsversorgung vor allem auf dem Land noch besser werden. Westliche Medikamente kommen kaum ins Land. Es gibt aber auch eine starke Tradition der asiatischen Medizin, die mit Heilkräutern und Naturverfahren arbeitet.
Frage: Haben die Menschen genügend zu essen?
Würkner: Auf dem Land ist die Lage sehr viel schlechter als in den Städten. Sichtbar wird dies etwa bei Jugendlichen, die wegen Mangelernährung kleiner und schmächtiger sind als Gleichaltrige in den Städten, wo die Versorgungslage deutlich besser ist. Von direktem Hunger würde ich aber nicht reden, jedoch ist die Versorgungslage sicher so, dass nicht alle Nordkoreaner jeden Tag gut ernährt und satt ins Bett gehen.
Frage: Welche Auswirkung hat nun die aktuelle Krise auf ihre Hilfsarbeit?
Würkner: Im Augenblick noch keine und ich hoffe, das bleibt auch so. Unser Impfprogramm muss weitergehen. Aber wir müssen natürlich genau beobachten, wie sich die Lage entwickelt. Solange es bei den verbalen Drohgebärden bleibt, sehe ich keine Probleme, unsere Arbeit fortzusetzen und etwa in der Unterstützung von Alten und Behinderten auszubauen. Wir möchten das sich derzeit entwickelnde Sozialsystem mitgestalten.
Das könnte sie auch interessieren
Gefangen im eigenen Land - lesen sie mehr zur Situation der Christen in Nordkorea. Zum ArtikelFrage: Inwieweit hat sich Nordkorea unter dem neuen Führer Kim Jong Un verändert?
Würkner: Wir beobachten, dass sich das Land ein wenig geöffnet hat. Es gibt erste Ansätze für das Wachsen einer Mittelschicht. Man kann mittlerweile Laptops und Handys kaufen, das wäre vor fünf Jahren undenkbar gewesen. Es gibt Anzeichen für eine leichte Öffnung der Wirtschaft. Auch können sich ausländische Helfer mittlerweile einigermaßen frei im Land bewegen.
Frage: Glauben Sie an eine mittelfristige Öffnung Nordkoreas, etwa nach chinesischem Modell?
Würkner: Das hoffen viele, denn davon würde die Bevölkerung profitieren. Voraussagen sind gerade jetzt aber unheimlich schwierig. Die Erfahrung zeigt, dass Nordkorea nur in gewissen Grenzen bereit ist, chinesische Einflussnahmen zu akzeptieren.
Frage: Wieso kommt es dann gerade jetzt zur Eskalation?
Würkner: Keiner kennt die Motive Pjöngjangs genau. Natürlich lenkt der derzeitige Theaterdonner auch von allen Problemen im Inneren ab. Gleichzeitig inszeniert sich der junge Kim Jong Un als starker Mann. Wenn es aber wirklich zu einem heißen Krieg kommen würde, kann niemand sagen, wie es weitergeht. Sicher ist, es wäre fatal für die Bevölkerung. Im Falle eines nordkoreanischen Angriffs würde die Reaktion Südkoreas und der USA sehr viel zerstören, was in den vergangenen Jahren mühsam aufgebaut wurde.
Von Volker Hasenauer (KNA)