Drei Fragen an den Mali-Referenten von Caritas international

"Der Westen war betriebsblind"

Veröffentlicht am 13.08.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Mali

Freiburg ‐ Französische und afrikanische Truppen haben die Aufständischen im Norden Malis erfolgreich zurückgedrängt. Am Montag hat Boubarcar Keita die Stichwahl für sich entschieden und ist neuer Präsident des westafrikanischen Landes. Herausforderer Soumaila Cisse hat die Niederlage akzeptiert. Hannes Stegemann, Mali-Referent von Caritas international, über die politische Lage und die Situation der Christen in dem Land.

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Frage: Herr Stegemann, ist jetzt Ruhe in Mali?

Stegemann: Die Wahlen waren auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Schnelle Wahlen waren ja auch eine Bedingung der internationalen Gemeinschaft , um weiter Entwicklungshilfe zu leisten. Allerdings ist es nur ein Schritt. Und "Ruhe" muss man sich im Detail angucken: Timbuktu und Gao sind befreit, in der ganzen Region Kidal ist die Präsenz des Staates jedoch eher symbolisch. Es gibt da eine militärische Pattsituation zwischen Tuareg-Rebellen und der französischen Armee. Wie gesagt: Die Wahlen waren ein guter erster Schritt, sind aber noch nicht die Lösung der Gesamtsituation.

Frage: Mali galt lange Zeit als afrikanische Vorzeigedemokratie. Hat sich "der Westen" da etwas vorgemacht?

Stegemann: Nach dem, was in den letzten zwei Jahren an Informationen durchgesickert ist, ist mit Recht der Eindruck entstanden, dass man etwas betriebsblind war und auf schlechte Regierungsführung, den desaströsen Zustand der Armee, Korruption und dergleichen mehr nicht rechtzeitig reagiert hat oder es einfach nicht sehen wollte.

Frage: Sie sagten, die politisch-religiösen Konflikte schwelen weiter. Was bedeutet dies für die Christen im Land?

Stegemann: Die religiöse Komponente würde ich nicht überbewerten. Die islamistischen Kämpfer in Nordmali kamen überwiegend aus dem Ausland – also Algerien, Pakistan et cetera. Sie haben das Machtvakuum für ihre Interessen genutzt. Die Tuareg-Rebellen, die den Aufstand ursprünglich angezettelt haben, hatten selbst keine religiösen Motive. Die haben sich auch recht bald untereinander zerstritten, inwieweit sie ausschließlich ihre eigenen Interessen durchsetzen oder sich für Al Kaida und andere islamistische Organisationen instrumentalisieren lassen. Einen Religionskonflikt in Mali gab es bis dahin nicht.

Der malische Islam ist sehr tolerant, der hohe Islamrat des Landes hat sehr früh gesagt, dass, das, was die Dschihadisten im Norden des Landes tun, nichts mit der Religion zu tun hat. Die militärische Befreiung von den Dschihadisten – denn die sind weitergezogen, die sind jetzt im Niger oder zurück nach Algerien gegangen – hat diesen sogenannten "religiösen Konflikt" deutlich befriedet.

Das Interview führte Michael Richmann