Auf der Walz in Frankreich erhielt sie den Anruf aus Deutschland

Freundschaftssymbol: Französin restauriert Notre-Dame-Fenster in Köln

Veröffentlicht am 29.10.2022 um 12:13 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Die französische Glasrestauratorin Elodie Schneider machte ein Praktikum in Deutschland, als die Kathedrale Notre-Dame in Paris brannte. Jetzt arbeitet sie in Köln daran mit, das Wahrzeichen ihres Landes wieder aufzubauen.

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Elodie Schneider setzt den Lötkolben an. Es dauert ein paar Sekunden, dann hat die Restauratorin die beiden fingergroßen Glasteile auf dem Tisch vor ihr mithilfe einer Zinn-Blei-Mischung wieder zusammengefügt. Ihre Arbeit in der Kölner Dombauhütte gleicht einem Puzzle, sagt die 29-jährige Französin aus dem Elsass. Sie und fünf weitere Fachleute der Glasrestaurierungswerkstatt setzen derzeit in der Domstadt vier Glasfenster aus der Kathedrale Notre-Dame in Paris wieder instand.

Dass sie ausgerechnet in Köln am Wiederaufbau des französischen Wahrzeichens mithelfen kann, fühlt sich "unglaublich" und wie "ein Traum" an, sagt Schneider. Als ein Großbrand im April 2019 weite Teile von Notre-Dame zerstörte, machte die Fachfrau gerade ein Praktikum am Rhein – in der Dombauhütte. "Alle Leute haben mir gesagt, dass sie an Notre-Dame denken", erzählt sie. "Sie haben gesagt: Was können wir tun? Jetzt machen wir etwas für Notre-Dame."

Ein Anruf auf der Walz

Als vor etwa einem Jahr klar war, dass vier der zahlreichen beschädigten Fenster aus der Pariser Kathedrale in Köln restauriert werden, erhielt Schneider überraschend einen Anruf aus Deutschland. Damals war sie gerade per Fahrrad auf der Walz durch Frankreich. Sie zögerte nicht lange. Seit Februar arbeitet Schneider wieder in der Dombauhütte.

Restauratorin Élodie Schneider zieht eine Transportbox mit Glasfenstern aus der Kathedrale Notre-Dame
Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Ihre Arbeit gleiche einem Puzzle, sagt Restauratorin Élodie Schneider. Auf dem Foto zieht sie eine Transportbox mit Glasfenstern aus der Kathedrale Notre-Dame in Paris. Dass die Französin ausgerechnet in Köln am Wiederaufbau des französischen Wahrzeichens mithelfen kann, ist für sie wie "ein Traum".

Dass die Pariser Kirche in altem Glanz erstrahlen soll, nehmen sie und ihr Team wörtlich. Mit in Ethanol-Wasser getränkten Wattebäuschen befreien sie die Glasflächen nach und nach von grau-schwarzem Schmutz. Zum Vorschein kommen Feuerwehr-Rot und Tiefsee-Blau. "Eine Kathedrale lebt auch von der Leuchtkraft der Glasmalereien und der Fenster", sagt die Leiterin der Glasrestaurierungswerkstatt, Katrin Wittstadt.

Durch den Großbrand hat sich Bleistaub über den gesamten Innenraum von Notre-Dame gelegt, erklärt sie. Weil dieser Staub gesundheitsschädigend ist, mussten die Fenster in Köln zunächst in eine Dekontaminationskammer. In einem extra aufgebauten Zelt pinselten und saugten Fachleute in Schutzanzügen die locker aufliegende Schicht mit einem Spezialstaubsauger ab. Der Dreck, der jetzt abgetragen wird, ist nicht mehr gefährlich.

Straffe Zeitplan macht Sorgen

Die Restauratorinnen und Restauratoren kitten zudem Brüche im Bleinetz, erneuern die Randbleie, kleben Risse im Glas und fügen zersplitterte Teile wieder zusammen. Nach dem Brand mussten die Glasfenster sehr zügig ausgebaut werden, um die beschädigte Kathedrale stützen zu können, sagt Wittstadt. Dabei ist vermutlich auch der ein oder andere Schaden entstanden. "Aber der ist nicht dramatisch."

Mehr Sorgen macht der Expertin der straffe Zeitplan, den der französische Präsident Emmanuel Macron vorgegeben hat. Im Frühjahr 2024 soll Notre-Dame wieder öffnen. Das bedeutet für die Kölner Dombauhütte, dass sie ihre Fenster bis Ende April 2023 wieder eingesetzt haben muss. Eine Verschiebung ist schwierig, weil auf der Riesenbaustelle die verschiedensten Gewerke und Arbeitsschritte ineinandergreifen. "Das ist eine Wahnsinnslogistik", so Wittstadt.

Katrin Wittstadt arbeitet an Buntglasscheiben aus der Kathedrale Notre-Dame
Bild: ©KNA/Harald Oppitz

"Eine Kathedrale lebt auch von der Leuchtkraft der Glasmalereien und der Fenster", sagt die Leiterin der Glasrestaurierungswerkstatt der Kölner Dombauhütte, Katrin Wittstadt.

Ein Beispiel: In Köln werden nur rund 90 der insgesamt etwa 3.000 Quadratmeter Glasfläche aus der Pariser Kathedrale restauriert. Für die Instandsetzung der restlichen Fenster sorgen weitere Werkstätten. Finanziert wird die Arbeit in Deutschland über die Spendenaktion "NRW für Notre-Dame", bei der insgesamt eine halbe Million Euro zusammenkamen.

Schneider bleibt, bis Restaurierung abgeschlossen ist

Die eigentliche Arbeit der Kölner Glasrestaurierungswerkstatt wird in den kommenden Monaten zum Teil hintenanstehen müssen. Wittstadt ist optimistisch, dass sie und ihr Team dadurch den französischen Zeitplan einhalten können.

Noch lagert der Großteil der vier Fenster, in sogenannte Felder zerlegt, in großen Holzkisten. Der französische Glasmaler Jacques Le Chevallier schuf die abstrakten Formen 1965. Feld für Feld wird sein Werk auch auf dem Arbeitstisch von Elodie Schneider landen. So lange, bis die Restaurierung abgeschlossen ist, dann endet ihr Engagement am Rhein. Sie sei glücklich über ihre Tätigkeit in Köln, sagt Schneider: "Ich finde, das ist ein superschönes Symbol für die Freundschaft von Frankreich und Deutschland."

Von Anita Hirschbeck (KNA)