Unterschiedliche Auffassungen zum Altaraufsatz

Welterbe-Streit um Naumburger Dom-Altar geht weiter

Veröffentlicht am 11.01.2023 um 14:02 Uhr – Lesedauer: 

Naumburg ‐ Gab es einen Altaraufsatz im Naumburger Dom oder gab es ihn nicht? Diese Frage ist weiterhin nicht geklärt – und die Positionen liegen unversöhnlich auseinander. Dabei steht auch der Welterbe-Status des Doms auf dem Spiel.

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Im Streit um den wieder errichteten Marienalter im Naumburger Dom liegen die Positionen weiterhin weit auseinander. In einer am Mittwoch veröffentlichten Pressemitteilung beharren die Vereinigten Domstifter, die als Stiftung Eigentümer des Doms sind, darauf, dass der von Lucas Cranach dem Älteren 1520 vollendete Altaraufsatz damals im Westchor des Domes aufgestellt und dass dessen Mittelteil 1541 im Zuge der Reformation zerstört worden sei.

Zur Begründung ihrer Position beriefen sich die Domstifter auf historische Unterlagen des Naumburger Domstiftsarchivs. Dagegen hatte der Regensburger Denkmalpfleger Achim Hubel in der Zeitschrift "Denkmalpflege in Sachsen-Anhalt" (Dezember-Ausgabe 2022) seine Auffassung bekräftigt, dass auf dem zentralen Altarblock im Westchor nie ein Altaraufsatz gestanden habe.

Die Frage ist mit Blick auf den Status des Naumburger Doms als Unesco-Welterbe relevant. Nachdem der zerstörte Mittelteil vom Leipziger Maler Michael Triegel im Stil des 16. Jahrhunderts ergänzt und der Marienaltar seit Juli 2022 im Westchor aufgestellt worden war, forderte der Internationale Rates für Denkmalpflege (ICOMOS) einen anderen Standort im Dom.

Welterbe-Status in Gefahr

Zur Begründung erklärte ICOMOS, dessen deutscher Gliederung Achim Hubel angehört, dass der Flügelaltar den Blick auf die zwölf weltberühmten mittelalterlichen Stifterfiguren des Doms, unter ihnen Uta von Naumburg, zu stark beeinträchtige. Damit sei der Welterbe-Status des Doms in Gefahr. ICOMOS berät die 21 Mitglieder des Welterbekomitees der Weltkulturorganisation Unesco bei der Zu- und Aberkennung der Auszeichnung eines Architekturdenkmals als Weltkulturerbe.

Wie der Stiftungsdirektor der Vereinigten Domstifter, Holger Kunde, betonte, ist die Frage des Standortes auch mit Blick auf die Charta von Venedig, einer 1964 vereinbarten und international anerkannten Richtlinie in der Denkmalpflege, von "erheblicher Bedeutung" für die künftige Aufstellung des Altares. Der Charta zufolge ist auch der angestammte Platz eines Kunstwerks beim Denkmalschutz relevant.

Seit vergangenem Dezember befindet er sich nicht mehr im Naumburger Dom, sondern wird bis Juni im Paderborner Diözesanmuseum ausgestellt. Anschließend soll er an weiteren Orten zu sehen sein, bis er nach Naumburg zurückkehrt. (KNA)