In der Zentralafrikanischen Republik herrschen Hunger und Not

Zu schwach zum Weinen

Veröffentlicht am 05.08.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Zentralafrikanische Republik

Bangui ‐ Regungslos sitzt die fünfjährige Edith Kamnon auf dem Krankenhausbett und starrt ins Leere. Der gestreifte Pyjama hängt lose an ihrem abgemagerten Körper. Unterernährung, ein Lungeninfekt und Durchfall haben das Leben des Mädchens in Gefahr gebracht. Ediths Mutter, Annie Dambita, kann ihre Verzweiflung nicht verbergen.

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Ihr Ehemann wurde vor einigen Monaten bei einer Rebellenattacke getötet. Seither muss die 30-Jährige ihre sechs Kinder alleine versorgen. Sie trägt ein altes T-Shirt, um die Beine hat sie ein Stück Stoff gewickelt. Dambita konnte ihre Felder in Yombo, 25 Kilometer von der Hauptstadt Bangui entfernt, seit Monaten nicht mehr bestellen. "Es gibt nichts als Schlamm zu essen", sagt sie.

In der Zentralafrikanischen Republik tobt seit 18 Monaten ein religiöser Konflikt zwischen den muslimischen Seleka-Rebellen und den christlichen Anti-Balaka-Milizen. Nachdem die Seleka-Rebellen im März 2013 zeitweise die Macht übernommen hatten, versinkt das Land im Chaos. Tausende Menschen starben wegen der Auseinandersetzungen, mehr als eine Million wurden vertrieben. Fast alle der 4,6 Millionen Einwohner benötigen nach Angaben der Vereinten Nationen mittlerweile humanitäre Hilfe. Die meisten leben von einer Mahlzeit am Tag.

Schwere Übergriffe auf die Zivilbevölkerung

Obwohl die Konfliktparteien Ende Juli eine Waffenruhe vereinbart haben, steht das Land weiter unter der Kontrolle bewaffneter Gruppen. Zwar befinden sich rund 6.500 afrikanische, 2.000 französische sowie 700 weitere europäische Angehörige einer Friedenstruppe im Land. Die Bevölkerung schützen können die ausländischen Soldaten aber nur punktuell. Beobachter berichten immer wieder von schweren Übergriffen; die Bevölkerung leidet weiter unter den Gräueltaten beider Seiten.

Ein Milizionär steht mit einem Maschinengewehr in der Mitte des Bildes, im Hintergrund telefoniert einer seiner Kollegen.
Bild: ©dpa / picture alliance

Zwei ehemalige Mitglieder der Seleka-Milizen vor dem Eingang zu ihrem Camp in Bangui.

Und die Situation dürfte sich noch verschlimmern: Weil viele Bauern wegen des Bürgerkriegs nichts auf ihren Feldern aussäen konnten, bahnt sich eine Hungerkrise an. Dieses Jahr wird kaum noch eine Ernte erwartet. Die Vereinten Nationen (UN) zeigen sich zudem besorgt über einen möglichen massenhaften Ausbruch der Cholera, den die aktuellen sintflutartigen Regenfälle begünstigen könnten.

"Wir müssen handeln, bevor der Regen die tragische Situation verschärft", sagt Ertharin Cousin, Exekutivdirektorin des Welternährungsprogramms (WFP). "Wir dürfen nicht warten, bis Bilder von knochendürren, stark untergewichtigen Kindern unser Versagen und unsere Vernachlässigung dokumentieren."

10.000 Fälle unterernähter Kinder

Das UN-Kinderhilfswerks Unicef hat fast 10.000 Fälle unterernährter Kinder in dem Land registriert. Bei rund 20 Prozent von ihnen kommen andere gesundheitliche Probleme hinzu - HIV, Malaria, Tuberkulose, Lungenentzündung, Anämie oder Diarrhö.

Die Essensrationen, die das WFP monatlich an mehr als 250.000 Menschen verteilt, können die Nachfrage kaum stillen. Lange Schlangen bilden sich Tag für Tag an den 28 Unicef-Zentren. "Seit Januar haben wir viermal mehr Aufnahmen von unterernährten Kindern", sagt die Unicef-Repräsentantin Judith Leveillee. "Die Zentralafrikanische Republik ist weltweit einer der schlimmsten Orte geworden, an dem Kinder aufwachsen können."

Unterentwicklung herrscht seit Jahrzehnten in dem bitterarmen Land. Der UN-Entwicklungsbericht 2014 setzt die Zentralafrikanische Republik auf Platz 185 von 187 Ländern. Doch der aktuelle Konflikt hat den Hunger drastisch verschärft.

Das einzige Kinderkrankenhaus des Landes in Bangui ist längst überbelegt. Bis zu 15 stark unterernährte Kinder würden hier jeden Tag aufgenommen, sagt die Kinderärztin Esperance Touane. Die Zahl steige stetig. "Und viele kommen zu spät an", sagt Touane.

Dürftige Zelte im staubigen Hof

Die Kinder schlafen zu zweit oder zu dritt in einem Bett, andere sind in dürftigen Zelten im staubigen Hof untergebracht. Sie liegen zusammengesunken auf alten Matratzen oder auf den Schößen ihrer Mütter, nicht in der Lage, ihre Köpfe hochzuhalten, die viel zu groß wirken für ihre abgemagerten Körper. Trotz der Überfüllung herrscht in der Klinik eine gespenstische Stille. Die meisten der kleinen Patienten sind zu schwach zum Weinen.

Von Kristin Palitza (dpa)

Linktipp

Der Gewalt ein Ende setzen: Die Deutsche Bischofskonferenz ruft die Konfliktparteien in der Zentralafrikanischen Republik zu einer Annäherung und Versöhnung auf.