Mary Ward – Eine Frau ergreift die Initiative
Mary Ward (1585–1645) ist wohl die berühmteste römisch-katholische Christin Englands. Geboren 1585 bei York in der Zeit der Katholikenverfolgung, erfuhr sie schon als Kind, wie Familienangehörige um des Glaubens willen alles wagten: Hab und Gut, Ehre und Leben. 1611 erkannte sie, dass für ihren gemeinsamen Weg die Ordensregel des Ignatius von Loyola Weisung sein sollte. Um ihren Dienst für die bedrängte Kirche in England erfüllen zu können, konnte sie sich nicht an strenge Klausurvorschriften binden. Die Gemeinschaft sollte unabhängig sein von der Leitung durch einen männlichen Orden und sollte einer "Generaloberin" unterstehen.
Mary Ward wollte Frauen die geistigen und spirituellen Voraussetzungen vermitteln für ein fruchtbares apostolisches Wirken und sie zu verantwortlichem Engagement in der Seelsorge führen. Die Ausbildung und Erziehung der Mädchen in England und zunächst auf dem europäischen Kontinent, zielten in diese Richtung. Aufgeschlossen für die Bedürfnisse und Fortschritte einer neuen Zeit, suchte sie Frauen zum Glaubenszeugnis mitten in der Welt zu bewegen. Gegen männlichen Spott, gegen die Abwertung "nur Frauen" wandte sie selbstbewusst ein: "Es heißt nicht, Veritas hominis, sondern Veritas Domini, und diese Wahrheit besitzen Frauen ebenso gut wie Männer.... Der Eifer, meine Schwestern, besteht nicht in Gefühlen, sondern im Willen, recht zu tun, und diesen mögen Frauen so gut wie Männer haben, ... und ich hoffe zu Gott, dass man auch in Zukunft Frauen Großes vollbringen sehen wird."
Mary Ward reiste durch Europa – und zum Papst
Steckbrieflich gesucht, mehrfach verhaftet, gar zum Tode verurteilt und wieder freigesprochen, hielt sie sich bald auf dem Festland, dann wieder in England auf. Es folgten Gründungen von Niederlassungen und Schulen in Lüttich, Köln, Trier, Rom, Neapel, Perugia, München, Wien, Preßburg.
Nach anfänglicher Anerkennung ihrer Arbeit durch den Papst wuchs der Widerstand gegen ihr Werk vonseiten englischer Priester und in der römischen Kurie. Drei beschwerliche Reisen über die Alpen und durch ein durch den Dreißigjährigen Krieg verwüstetes Europa führten Mary Ward mit einigen Gefährtinnen nach Rom. Persönlich und mit Freimut trug sie Papst und Kardinälen den Plan ihres Werkes vor und bat um die Bestätigung. Die Päpste Gregor XV. und Urban VIII. verweigerten diese. Zu neu waren für die Kirchenoberen ihre Gedanken: Ein Frauenorden ohne Klausur, direkt dem Papst unterstellt, unter der Leitung einer Generaloberin.
Die Inquisition eröffnete einen Prozess gegen Mary Ward und mit der Bulle vom 13.01.1631 wurde ihre Gründung von Papst Urban VIII. als eine "unüberlegte und eigenmächtige Verirrung" aufgehoben. Die Häuser wurden geschlossen und die Gelübde der englischen Fräulein für ungültig erklärt. Mary Ward selbst wurde in München, wo sie durch die Gunst des Kurfürsten Maximilian I. von Bayern im Paradeiserhaus eine Schule eröffnet hatte, verhaftet. Der römische Inquisitionsprozess endete zwar mit ihrer vollständigen Rehabilitierung und mit der Erlaubnis, mit ihren Gefährtinnen in Gemeinschaft zu leben, aber erst lange nach ihrem Tod erhielt der Orden der Maria Ward-Schwestern die päpstliche Anerkennung. 1645 starb sie in ihrer englischen Heimat in Heworth bei York.
1909 wurde Mary Ward durch Papst Pius X. als Gründerin des "Instituts der Englischen Fräulein" (IBMV) anerkannt. 1968 erlaubte der Generalobere der Jesuiten Pedro Arrupe SJ schließlich die Übernahme der Ignatianischen Konstitutionen gemäß dem Gründerwillen Mary Wards. Seit 2003 darf sich der Orden offiziell Congregatio Jesu (CJ) nennen.
Der Name Jesu war wie Ignatius von Loyola auch Mary Ward besonders wichtig. "Jesus" war, wie es heißt, ihr erstes und ihr letztes Wort und über jeden Brief, den sie begann, schrieb sie ihn im Kürzel: "jhs" – die griechischen Anfangsbuchstaben für "Jesus – Sohn – Retter". In programmatischer Miniatur spüren wir heute hier Mary Wards gläubige Überzeugung und Vision ihrer Sendung. Mit Jesus "die Armen lieben, in dieser Liebe verharren, mit ihnen leben, sterben und auferstehen, das war alles, was Mary Ward erstrebte", so verdichten es später Jahrhunderte überdauernde Worte auf dem Grabstein Mary Wards.
Ab 2023 wird es für Interessierte aus aller Welt in München-Nymphenburg ein neues "Zentrum Maria Ward" geben. Dorthin wurde bereits im November 2022, nach über 250 Jahren wechselvoller Geschichte in Augsburg, das berühmte "Gemalte Leben der Mary Ward" transferiert: Ein Bilderzyklus von 50 Gemälden, der in plastischen Szenen auch das innere Ringen und das spirituelle Leben dieser leidgeprüften und tatkräftigen Gottsucherin aus England zeigt.
Die Autorin
Dr. Andrea Link ist Neutestamentlerin, Journalistin und Gymnasiallehrerin. Sie arbeitete von 1992–2006 als Studienrätin an der "Liebfrauenschule" der Maria Ward-Schwestern in Bensheim.
Hinweis
Dieser Artikel ist Teil der nächsten Ausgabe von Welt und Umwelt der Bibel, die sich dem Thema "England: Mythen, Macht und Monarchie" widmet.