Keine Alternative
Doch auch nach der Wahl in Sachsen wissen viele Menschen nicht, für welche Inhalte die AfD steht, welche Politik sie tatsächlich machen möchte. Klar ist nur: Sie ist längst keine Ein-Themen-Partei mehr. Zwar kämpft die Vereinigung immer noch leidenschaftlich gegen den Euro und die Rettungspolitik der Bundesregierung. Doch je mehr die Währungsproblematik in den vergangenen Monaten aus den Schlagzeilen verschwunden ist, desto stärker hat sich die AfD anderen Themen zugewendet.
Der Dresdner Bischof Heiner Koch hat mit Blick auf das inhaltliche Profil der jungen Partei trotzdem noch viele Fragen. "Mein Problem ist, dass ich nicht erkennen kann, wofür die AfD steht", sagte Koch am Montag gegenüber katholisch.de. Er könne sich nicht erklären, warum die Partei fast zehn Prozent erreicht habe, obwohl es "eine solche Unklarheit bei den Positionen" gebe, so der Bischof. Auch Politikwissenschaftler tun sich bislang schwer, die AfD als neue Kraft im Parteiensystem der Bundesrepublik eindeutig zu verorten.
Protest-Milieu und rechter Rand
Immerhin: Klar ist, dass die Partei, die sich selbst als "konservative Volkspartei" bezeichnet, rechts von der CDU steht, ein konservatives Protest-Milieu hinter sich vereinigt und immer wieder auch am äußeren rechten Rand fischt. Dies zeigt sich auch bei einem Blick in das 24-seitige Wahlprogramm der sächsischen AfD . Das Papier setzte neben Familie und Bildung einen Schwerpunkt auf rechtskonservative Themen wie Zuwanderung, Integration und innere Sicherheit. Erschreckend: Immer wieder benutzt die Partei dabei Formulierungen, die an die rechtsextreme NPD erinnern oder durch die Zeit des Nationalsozialismus historisch eindeutig belegt sind.
So fordert die AfD in der Präambel des Programms "Gerechtigkeit statt Gleichschaltung" - ein unpassender historischer Vergleich, der für die erzwungene Umformung des politischen und gesellschaftlichen Lebens in der NS-Zeit steht. Auch darüber hinaus spielt die Partei mit Begriffen aus dem rechtspopulistischen Wortschatz. So ist im Wahlprogramm von einer "Bankendiktatur" und "Integrationsfolklore" die Rede; Politiker, die sich für die Euro-Rettung eingesetzt haben, werden als "dünne Schicht von Technokraten" bezeichnet.
Nationalistisch durchtränktes Programm
An anderen Stellen wiederum ist das Wahlprogramm der AfD deutlich nationalistisch durchtränkt. So fordert die Partei unter dem Programmpunkt "Identität" beispielsweise das Absingen der deutschen Nationalhymne bei feierlichen Anlässen, eine "Umgewichtung des Geschichtsunterrichts" zur Stärkung der eigenen Nationalidentität, ein Ende der "Gender- und Gleichstellungsideologie" sowie einen höheren Anteil deutschsprachiger Titel in Rundfunk und Fernsehen.
„Ich kann nicht erkennen, wofür die AfD steht.“
Auch Verschwörungstheorien kommen im Wahlprogramm vor. In den Augen der Partei ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland manipulativ, "menschenfeindliche Ideologien" wie der "verquere Genderismus" sollen den Bürgern mit aller Macht aufgezwungen und die Familie als "natürliche Grundeinheit der Gesellschaft" herabgesetzt und verhöhnt werden. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die AfD die Begriffe Freiheit, Demokratie und Wohlstand "zu Worthülsen verkommen" sieht.
Unappetitliche Aussagen zur Zuwanderung
Besonders unappetitlich sind jedoch die Aussagen der AfD zu den Themen Zuwanderung und Integration. Die Partei beklagt eine "ungesteuerte Einwanderung über Familiennachzug, Duldungsmechanismen und durch laxe Auslegungen des Asylrechts". Sie fordert, eine Zuwanderung in die Sozialsysteme zu unterbinden, straffällig gewordene Asylbewerber zügig in ihre Herkunftsländer zurückzuführen und Qualifikationsangebote für "deutsche Arbeitslose" auszubauen.
Integration sieht die AfD vorrangig als Aufgabe derjenigen, die sich integrieren sollen. Wer das nicht tut, muss mit harten Strafen rechnen: Unentschuldigtes Fehlen, Stören oder verweigerte Mitarbeit bei verpflichtenden Sprachkursen sollen durch empfindliche Kürzungen der Sozialleistungen sanktioniert werden.
Mit Volldampf ins heimelige, nationale Nest
Aus dem AfD-Programm für Sachsen setzt sich somit nach und nach das Bild einer Partei zusammen, die mit Volldampf zurück ins heimelige, nationale Nest möchte, die Zuwanderung vor allem als Gefahr sieht und die bei dem Versuch, sich von den etablierten Parteien abzugrenzen, verbal immer wieder über die Stränge schlägt.
Vor dieser Mischung hatte vor der Bundestagswahl im vergangenen Jahr auch Erzbischof Robert Zollitsch gewarnt. Der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz verweigerte der Partei seinen Segen und bezeichnete die Mitglieder in einem Interview als " ein paar Nostalgiker ", von denen er hoffe, dass sie nicht in den Bundestag einzögen. Diese Hoffnung hat sich damals bewahrheitet – spätestens nach dem Erfolg in Sachsen muss nun jedoch eine intensivere inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD geführt werden.
Von Steffen Zimmermann