Schreibtisch, Autorenrechte, Rechtsstreit: Wer beerbt Benedikt XVI.?
Noch an seinem Sterbetag wurde das "geistliche Testament" von Benedikt XVI. im Wortlaut veröffentlicht. Drei Wochen später folgten seine letzten nachgelassenen theologischen Schriften. Aber was der emeritierte Papst für seinen materiellen Nachlass verfügt hat, ist bis zur Stunde unbekannt. Erzbischof Georg Gänswein schreibt in seinem neuen Buch, der Verstorbene habe diesbezüglich genaue Anweisungen hinterlassen, diese zuletzt 2021 aktualisiert und ihn, den langjährigen Privatsekretär, zum Testamentsvollstrecker bestimmt.
Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer reklamierte unmittelbar nach dem Tod des einstigen Kirchenoberhaupts eine Zuständigkeit des von ihm geleiteten Instituts Papst Benedikt XVI. auch für den privaten Nachlass. Offenbar reiste Voderholzer deshalb schon früh zu den Begräbnisfeiern nach Rom, um in der Angelegenheit Gespräche zu führen.
Ein Regensburger Bistumssprecher sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), das Institut sei "kein eingetragener Erbe der Hinterlassenschaften" Benedikts und somit kein Rechtsnachfolger des Verstorbenen. "Es wurden dem Institut lediglich verschiedene Dinge wie Bücher, Schriften und anderes aus der Hand Benedikts zugesprochen, da das Institut ja die Aufgabe hat, das theologische und wissenschaftliche Gesamtwerk des ehemaligen Kardinals und Pontifex zu ordnen und zu dokumentieren."
Ein Schreibtisch für Pentling
Gut möglich, dass demnächst ein Regensburger Spediteur Benedikts Schreibtisch aus dem "Klösterle" im Vatikan abholt und nach Pentling in dessen früheres Professoren-Domizil transportiert. Dies sei das einzige Möbel gewesen, das Joseph Ratzinger bei seinen Umzügen stets mitgenommen habe, heißt es. Im "Häusle", das er sich vor den Toren Regensburgs hatte bauen lassen, steht nur eine Nachbildung. 2010 überschrieb der Papst die Immobilie der Trägerstiftung des Instituts. Dessen Mitarbeiter bemühen sich um den Erhalt einer möglichst authentischen Atmosphäre, vor allem in der Gelehrtenstube.
Was aber schreiben Päpste eigentlich so in ihr Testament? Unterschiedliches, weiß der Augsburger Kirchenhistoriker Jörg Ernesti. Genauere Kenntnisse gebe es dazu erst für das 20. Jahrhundert. "Die Päpste der letzten 200 Jahre hatten meistens nicht viel zu vererben außer ein paar persönlichen Dingen und Erinnerungsstücken." So hätten Johannes XXIII. und Paul VI. ihre Familienangehörigen bedacht, "allerdings nicht mit großen Wertgegenständen", sagt Ernesti.
Sollte Benedikt XVI. ähnliches verfügt haben, so könnten sich Cousinen und Großcousins in Niederbayern und am Chiemsee über Erbstücke freuen. Engere Verwandte gibt es nicht mehr.
Keinen Besitz zurückgelassen
Johannes Paul II. habe es seinem Sekretär überlassen, wie mit seinen persönlichen Gegenständen zu verfahren sei, erklärt Ernesti. Ansonsten heißt es in dessen Testament: "Ich lasse keinen Besitz zurück, über den verfügt werden müsste." Bei seinem Nachfolger steht zumindest die Frage im Raum, wer sich in den kommenden 70 Jahren über die Verwertung seiner Urheberrechte freuen darf, gilt er doch als "Papst der Bücher" (Manuel Herder).
Mehr als 60 Einzeltitel hat er seit 1956 allein im Verlag Herder publiziert. Viele wurden in andere Sprachen übersetzt. Die Gesamtauflage umfasst mehrere Millionen Exemplare. Seine im Papstamt fertiggestellte Jesusbuch-Trilogie avancierte noch einmal zum Weltbestseller. Gerade kommt eine preisgünstige Taschenbuchausgabe auf den Markt.
Bekannt ist, dass Benedikt XVI. zumindest einen Teil der Einkünfte aus seiner publizistischen Tätigkeit an Stiftungen abgetreten hat. Eine Nutznießerin ist etwa die 2010 in Rom gegründete "Vatikanische Stiftung Joseph Ratzinger – Benedikt XVI."
Ein Universalerbe
Pius XII. setzte nach den Worten des Kirchenhistorikers Ernesti den Heiligen Stuhl als Universalerben ein. Möglicherweise hat sich das auch der emeritierte Papst mit vatikanischem und deutschem Pass zum Vorbild genommen. Als sein älterer Bruder Georg Ratzinger vor zweieinhalb Jahren starb, schlug er das Erbe aus. Für diesen Fall hatte der Kirchenmusiker und langjährige Chef der Regensburger Domspatzen den Heiligen Stuhl zum Ersatzerben bestimmt.
Zu Benedikts Hinterlassenschaften gehört auch ein Zivilprozess vor dem Landgericht Traunstein. Darin geht es um mögliche Schadensersatzansprüche aus seiner Zeit als Münchner Erzbischof. Ein mutmaßliches Missbrauchsopfer aus Garching an der Alz hat dazu eine Feststellungsklage angestrengt. Das Verfahren ist derzeit ausgesetzt, bis ein Rechtsnachfolger für den emeritierten Papst feststeht, der zu den Beklagten zählte.
Haben die Erben kein Interesse, sich an diesem Verfahren zu beteiligen, können sie das Erbe jedoch nur im Ganzen ausschlagen.