Das Nachwuchsproblem in der katholischen Theologie verschärft sich
Die Zeiten, in denen sich Dutzende habilitierte Personen auf eine freie Professur bewerben, mag es in den Geisteswissenschaften noch geben. In der katholischen Theologie sind sie auf jeden Fall vorbei. Nur noch schwer werden katholisch-theologische Einrichtungen im deutschsprachigen Raum in den kommenden Jahren Nachbesetzungen finden. Auf jede freie Stelle an staatlichen Universitäten, Instituten und kirchlichen Hochschulen kommt derzeit gut eine habilitierte Person. Tendenz auf Besserung ist nicht in Sicht. Da reicht allein der Blick auf sinkende Studierendenzahlen angesichts der zugleich vielen Emeritierungen, die anstehen.
All das zeigt eine Studie des Frankfurter Sozialethikers Bernhard Emunds. Regelmäßig erhebt er Daten zur katholischen Theologie und konnte schon vor einigen Jahren entsprechende Prognosen abgeben. Trotzdem führt die neueste Auswertung das Nachwuchsproblem noch einmal dezidiert vor Augen. Im deutschen Sprachraum müssen zwischen 2021 und 2025 insgesamt 107 Professuren neu besetzt werden – 40 Prozent mehr als in den fünf Vorjahren. Gleichzeitig stagniert die Zahl der Habilitationen. Besonders wenige Qualifikationsarbeiten gibt es in den Fächern Neues Testament, Patristik und Liturgiewissenschaft.
Gravierend niedriger Frauenanteil
Gravierend niedrig ist der Frauenanteil: Deutlich weniger Frauen als Männer schließen ihr Habilitationsprojekt ab. Zwischen 2016 und 2020 habilitierten sich 72 Personen in katholischer Theologie, unter ihnen zehn Frauen (13 Prozent). Auf diese Geschlechterlücke weist "Agenda", der wissenschaftliche Zusammenschluss von Theologinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, schon lange hin.
Auch die deutschen Bischöfe scheinen den Ernst der Lage zu sehen. Der stellvertretende Vorsitzende der Kommission für Wissenschaft und Kultur, Münsters Weihbischof Christoph Hegge, bestätigte, dass zeitnah eine qualitative Studie in Auftrag gegeben werde. Sie soll klären, warum insbesondere qualifizierte Frauen ihre Promotions- und Habilitationsprojekte abbrechen.
Nachwuchswissenschaftler machten in den vergangenen Jahren unter dem Hashtag #IchBinHanna auf die unsichere Situation des akademischen Mittelbaus aufmerksam: befristete Verträge, hohe Arbeitsbelastung, unsichere Perspektiven. Auch die Bundeskonferenz des akademischen Mittelbaus für katholische Theologie (BAM) beschäftigt sich schon länger mit den Gründen für und gegen eine wissenschaftliche Karriere. Der Zusammenschluss verweist aber auch auf spezifisch katholische Herausforderungen – etwa Probleme mit der kirchlichen Lehrerlaubnis, dem "Nihil Obstat", und Befürchtungen, dass Scheidung, Wiederheirat oder homosexuelle Beziehungen zu Schwierigkeiten in der Karriere führen können.
Wer studiert eigentlich Theologie – und wozu?
Bibel lesen, Dogmen auswendig lernen – ist so das Theologiestudium? Nein, sagt der Bonner Moraltheologe Jochen Sautermeister. Der Dekan der Theologischen Fakultät wirbt um Studieninteressierte, die sich nicht mit einfachen Antworten zufrieden geben.
"Die prekären Arbeitsverhältnisse und die latente Diskriminierung von Frauen in der katholischen Theologie führen dazu, dass insbesondere die Frauenquote in der katholischen Theologie gegenüber anderen Geisteswissenschaften in peinlicher Weise gering ist und weiter absackt", fasst die BAM in einer Stellungnahme auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur zusammen. So zeigt denn auch die Studie von Emunds, dass für Promotions- und Habilitationsprojekte von den Diözesen freigestellte Mitarbeiter fast ausschließlich Männer sind.
Was also tun? Darüber diskutierte jüngst der Katholisch-Theologische Fakultätentag bei seiner Jahresversammlung in Wiesbaden. Das "Nihil Obstat"-Verfahren muss transparenter gestaltet werden, forderten die Theologinnen und Theologen. Zudem fehlt es an verlässlichen Kriterien, welche Qualifikationen einer Habilitation gleichwertig sind – wenn Menschen aus der Berufspraxis ohne zweite Forschungsarbeit an die Universität zurückkehren möchten.
Wie stellt sich die wissenschaftliche Theologie auf?
Doch auch das kanonische Doktorat mit hohen Zugangsvoraussetzungen insbesondere für jene, die nicht ein Vollstudium in Theologie absolviert haben – vor allem Lehramtsstudierende – ist eine Hürde. Einfacher sieht der Zugang zum philosophischen Doktor aus.
Ob dieser Titel künftig an theologischen Fakultäten vergeben werden soll, ist ungeklärt – nicht nur seitens der philosophischen Fakultäten. Mit einer solchen Qualifikation lässt sich nur schwer in der Theologie lehren. Und Institute, die durch entsprechende Kooperationen das philosophische Doktorat anbieten, fürchten um ihr Herausstellungsmerkmal gegenüber anderer Fakultäten. Zugleich lässt sich nicht von der Hand weisen: Das Interesse am Doctor theologiae lässt nach, und viele Nachwuchskräfte wollen künftig nicht mehr im kirchlichen Bereich tätig sein.
Doch es sind nicht nur die Sorgen um künftiges Personal, die die wissenschaftliche Theologie umtreiben. Sie wird sich auch überlegen müssen, wie sie ihre Disziplin künftig aufstellen will – in internationalen Diskursen und im universitären Kontext. Ist doch absehbar, dass die Vielzahl der Einrichtungen mit öffentlicher Finanzierung bei weiter sinkenden Studierendenzahlen gesellschaftlich mehr und mehr hinterfragt werden wird.