Drei Mitglieder des Betroffenenbeirats zweifeln Glaubwürdigkeit des Klägers an

Köln: Unerwarteter Gegenwind für klagenden Missbrauchsbetroffenen

Veröffentlicht am 07.02.2023 um 16:49 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Die Klage eines Missbrauchsbetroffenen gegen das Erzbistum Köln auf Schmerzensgeld hat große Aufmerksamkeit hervorgerufen. Jetzt melden andere Missbrauchsbetroffene Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers an.

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Der Missbrauchsbetroffene, der das Erzbistum Köln auf Schmerzensgeld verklagt hat, bekommt von unerwarteter Seite Gegenwind. Drei Mitglieder des Betroffenenbeirats des Erzbistums Köln – darunter der frühere Sprecher Peter Bringmann-Henselder – wandten sich mit einem Schreiben an das Landgericht Köln und zweifelten darin die Glaubwürdigkeit des Klägers an, wie der "Kölner Stadt-Anzeiger" (Dienstag) berichtete. Bringmann-Henselder bestätigte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) das Schreiben. Die Initiative dazu sei von den zwei Mitunterzeichnern ausgegangen, die schwerstbehindert seien. Er selbst habe sich lediglich als Zeuge von Gesprächen eingebracht, welche die beiden mit dem Kläger bei ihrer gemeinsamen Arbeit im Betroffenenbeirat geführt hätten. Dem Gremium gehörte der Kläger von 2019 bis 2021 an. In dem Brief zweifelten die Mitunterzeichner einige Aussagen des Klägers an, was sie dem Gericht mitteilen wollten, sagte Bringmann-Henselder. Zum konkreten Inhalt wollte er sich nicht äußern.

Eine Gerichtssprecherin bestätigte auf KNA-Anfrage den Eingang des Schreibens. Der Brief sei zu den Akten genommen und wie vorgeschrieben den Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis gegeben worden. Für das Verfahren selbst spielten die Inhalte keine Rolle, solange keine der beiden Seiten diese ins Verfahren einführten. Das Erzbistum Köln erklärte auf Nachfrage, es handele sich nicht um ein Schreiben des Betroffenebeirats, sondern um einen persönlichen Brief der Unterzeichner. Sie hätten sich ohne Wissen von Bistumsvertretern an das Gericht gewandt. Das Erzbistum vertraue darauf, dass das Gericht das Verfahren im Rahmen der Zivilprozessordnung korrekt weiterführe. Weiter sagte eine Sprecherin der KNA, dass das Erzbistum derzeit nicht plane, das Schreiben oder Inhalte daraus ins Verfahren einzuführen.

Der Anwalt des Klägers, Eberhard Luetjohann, übte scharfe Kritik an den Briefunterzeichnern. Es handele sich um den Versuch einer massiven Einflussnahme auf den Vorsitzenden Richter mit unwahren Behauptungen und haltlosen Unterstellungen, sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". In dem Verfahren fordert der Missbrauchsbetroffene vom Erzbistum 725.000 Euro Schmerzensgeld sowie 80.000 Euro für mögliche künftige Schäden. Kardinal Rainer Maria Woelki verzichtete darauf, Verjährung zu beantragen. Der Prozess könnte Vorbildcharakter für weitere Schmerzensgeldklagen gegen Bistümer haben.

Rixen geht von großer Signalwirkung aus

Unterdessen äußerte sich auch Staatsrechtler Stephan Rixen zur Schmerzensgeldklage gegen das Erzbistum und erinnerte daran, dass ein Erfolg des Klägers eine große Signalwirkung innerhalb der Kirche und darüber hinaus hätte. "Alle Institutionen müssten sich fragen, ob sie in der dann absehbaren Flut von Klagen jeden einzelnen Fall öffentlichkeitswirksam vor Gericht austragen oder sich nicht doch lieber vergleichen und Entschädigungssummen zahlen wollen, die dann weit über dem niedrigen Niveau liegen werden, das jetzt üblich ist", sagte das Mitglied der bundesweiten unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch am Dienstag dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Der Kläger in dem Kölner Verfahren hat bislang eine kirchliche Anerkennungszahlung von 25.000 Euro erhalten.

Rixen übte scharfe Kritik am kirchlichen System der Anerkennungszahlungen für Missbrauchsbetroffene. Hier handelt es sich um freiwillige Leistungen der Bistümer in Deutschland. "Die Betroffenen werden als Bittsteller behandelt, nicht als Rechtssubjekte auf Augenhöhe", sagte der Kölner Professor. "Und die Kirche erkennt nicht ohne Wenn und Aber ihre Verantwortung als Institution an, sondern lässt sich herab zu einer 'Anerkennung des Leids'." Vielen Betroffenen gehe es darum, dass die Institution sich zu ihrer Verantwortung bekenne. "Verantwortungsübernahme ist aber nur glaubwürdig, wenn sie spürbare Folgen hat, etwas kostet, weh tut", so der Staatsrechtler.

Rixen sprach auch über sein Ausscheiden aus der Aufarbeitungskommission im Erzbistum Köln. Er begründete den Schritt erneut damit, dass sich seine anfänglichen Bedenken bestätigt hätten. "Wenn es vom Ermessen des Bischofs oder anderer kirchlich Verantwortlicher abhängt, was sich eine Kommission anschauen oder welche Fragen sie stellen darf und welche Fragen unbeantwortet bleiben, dann empfinde ich das als Mauer", sagte er. "Und wenn kritische Fragen an die Leitungsebene offenbar schnell als Majestätsbeleidigung gelten, dann kommt oben auf diese Mauer noch der krönende Zinnenkranz." (tmg/KNA)