Mangel an einheitlichen Bewertungskriterien in Klerusausbildung sei große Gefahr

Zollner: Es braucht Eignungstests für Priesterkandidaten

Veröffentlicht am 04.03.2023 um 13:52 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Kinderschutz-Experte Hans Zollner hat Zulassungstests für Seminaristen ausgewertet und schlägt nun Alarm. In der Priesterausbildung fehle es an standardisierten Eignungstests für Priesterkandidaten. Das sei eine große Gefahr.

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Laut dem kirchlichen Kinderschutzexperten Hans Zollner fehlen in der katholischen Kirche einheitliche Bewertungskriterien für künftige Priester. Zudem mangele es an speziellen Eignungstests für diese Berufsgruppe, so der Jesuit in einem gemeinsamen Interview mit Psychiater Stefano Lassi in der Zeitung "Avvenire" (Samstag). Gemeinsam mit drei weiteren Wissenschaftlern hatten Zollner und Lassi internationale Studien untersucht, in denen Tests für die Zulassung von Priesteramtskandidaten analysiert wurden. 

Grundsätzlich sei die Bewertung des Persönlichkeitsprofils von Priester- und Ordenskandidaten eine weit verbreitete Praxis im Berufungsprozess, so die Wissenschaftler. Der Mangel an einheitlichen und gemeinsamen Bewertungskriterien berge aber eine große Gefahr, weil so die Wahl der Instrumente der Initiative der einzelnen Ausbildungsverantwortlichen überlassen bleibe. Dies könne, neben den daraus resultierenden Ausbildungslücken, möglicherweise sehr schwerwiegende Folgen haben. 

Neben dem Fehlen von spezifischen Eignungsprüfungen für künftige Priester, gebe es zudem keine Tests, mit denen das Risiko des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen genau bewertet werden könne. Die Welt der Ausbildung in religiösen Fraueninstituten sei nahezu völlig unerforscht. 

Fragen nach Sexualität und Persönlichkeit viel zu lange unbeachtet 

Insgesamt sei bei der Priesterausbildung viel zu lange versäumt worden, grundlegende Fragen wie etwa Sexualität, Familiengeschichte, Persönlichkeit, affektive Reife, Kommunikations- und Interaktionsfähigkeit, Umgang mit Emotionen und Beziehungen anzusprechen, so Zollner und Lassi. Dies sei in vielen Ausbildungskreisen erst in den letzten zehn Jahren geschehen. 

Der deutsche Jesuit Zollner leitet das Institut zum Schutz vor Missbrauch der päpstlichen Universität Gregoriana. Gestern wurde bekannt, dass er zukünftig auch die diözesane Fachstelle für Kinderschutz im Bistum Rom beraten wird. Der deutsche Theologe und approbierte Psychotherapeut gilt international als Fachmann für die Prävention von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen in der katholischen Kirche. Lassi lehrt an dem Institut und gehört der landesweiten Fachstelle für Kinderschutz der italienischen Bischofskonferenz an. (KNA)