Ergebnisse vorgestellt – Benedikt XVI. war unter Beschuldigten

Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen im Erzbistum München ein

Veröffentlicht am 21.03.2023 um 13:44 Uhr – Lesedauer: 

München ‐ Vor einem Jahr wurde das Münchner Missbrauchsgutachten vorgestellt. Jetzt gab die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungsergebnisse dazu bekannt. Demnach wurde Benedikt XVI. als Beschuldigter geführt – ebenso ein weiterer Kardinal sowie ein Generalvikar.

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Die Staatsanwaltschaft München I hat ihre Ermittlungen gegen kirchliche Verantwortungsträger der Erzdiözese München und Freising in Sachen Missbrauch eingestellt. Das teilte die Behörde am Dienstag bei einer Pressekonferenz in München mit. Entweder seien die Taten bereits verjährt gewesen oder den Verantwortlichen habe man keine Beihilfe nachweisen können. Sollten aber bisher anonym gebliebene Betroffene noch Anzeige in nicht verjährten Fällen erstatten, könne man Ermittlungen auch wieder aufnehmen.

Der emeritierte und inzwischen verstorbene Papst Benedikt XVI. wurde demnach von der Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen zum Münchner Missbrauchsgutachten als Beschuldigter geführt. "Geprüft wurde dabei insbesondere, ob ein kirchlicher Verantwortungsträger durch eine Personalentscheidung Beihilfe zu einer später begangenen, noch nicht verjährten Missbrauchstat eines Priesters geleistet haben könnte", teilte die Staatsanwaltschaft mit. Es sei aber "entweder keine beihilfefähige Haupttat nachweisbar" oder eine solche wäre wegen Verjährung nicht mehr verfolgbar gewesen, hieß es zu Benedikt weiter. "Daher erfolgten in diesen Verfahren keine Vernehmungen der beschuldigten Verantwortungsträger und damit auch keine Mitteilungen der Verfahrenseinleitung und -einstellung", so die Staatsanwaltschaft.

Auch Wetter und Gruber als Beschuldigte eingetragen

Neben dem früheren Papst wurden zwei weitere lebende kirchliche Personalverantwortliche als Beschuldigte eingetragen: der frühere Münchner Erzbischof Kardinal Friedrich Wetter und der ehemalige Münchner Generalvikar Gerhard Gruber. "Die Ermittlungen ergaben jeweils keinen hinreichenden Verdacht strafbaren Handelns der Personalverantwortlichen", weswegen die Verfahren eingestellt worden seien.

Hinsichtlich Wetter und Gruber stand den Angaben zufolge der "Fall 26" aus dem Missbrauchsgutachten und damit ein 1962 verurteilter Kleriker im Fokus. Dazu hätten die Ermittlungen den Verdacht zweier noch nicht verjährter Haupttaten ergeben. Bei Wetter sei jedoch nicht feststellbar gewesen, dass er um Missbrauchsvorwürfe gewusst und den betreffenden Priester im Dienst gelassen habe, und bei Gruber nicht, dass er zum Missbrauch vorsätzlich beigetragen habe.

Bild: ©KNA/Robert Kiderle (Archivbild)

Auch Kardinal Friedrich Wetter, emeritierter Erzbischof von München und Freising, wurde von der Staatsanwaltschaft als Beschuldigter geführt.

Im Zusammenhang mit dem "Fall 26" habe man im Februar das Erzbischöfliche Ordinariat und Palais in München durchsucht, bestätigte die Staatsanwaltschaft nun entsprechende Medienberichte. Aufgrund von Zeugenaussagen habe man nach einem "Giftschrank" mit brisanten Unterlagen gesucht. "Die Durchsuchung ergab, dass der sog. Giftschrank bereits 2011 aufgelöst wurde und die darin befindlichen Unterlagen zu den Personalakten gegeben wurden."

45 Fälle untersucht

Das Missbrauchsgutachten für das Erzbistum München und Freising hatte die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) im Januar 2022 vorgestellt. Die Staatsanwaltschaft hat auf dieser Basis 45 Fälle untersucht, wie sie erklärte.

Das WSW-Gutachten verzeichnet 235 mutmaßliche Täter von 1945 bis 2019, darunter 173 Priester. Die Zahl der Geschädigten liege bei 497. Das Dunkelfeld sei aber vermutlich weitaus größer. 67 Kleriker hätten aus Sicht der Anwälte wegen der "hohen Verdachtsdichte" eine kirchenrechtliche Sanktion verdient. In 43 Fällen sei jedoch eine solche unterblieben. 40 von ihnen seien weiter in der Seelsorge eingesetzt worden, darunter auch 18 strafrechtlich verurteilte Priester.

Das Gutachten belastet amtierende und frühere Amtsträger schwer, darunter Benedikt XVI. Joseph Ratzinger habe sich als Münchner Erzbischof (1977-1982) in vier Fällen fehlerhaft verhalten. Dem derzeitigen Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, warfen die Anwälte vor, sich bis 2018 nicht ausreichend um Fälle sexuellen Missbrauchs gekümmert zu haben. Konkret hielten die Gutachter dem Erzbischof zudem vor, zwei Fälle nicht nach Rom gemeldet zu haben. Marx' Vorgänger, Kardinal Wetter, hat laut WSW in seiner mehr als 25-jährigen Amtszeit in 21 Fällen Fehlverhalten gezeigt. (tmg/KNA)

21.3., 15:55 Uhr: Meldung aktualisiert.