Bayerns Landtagspräsidentin fordert von Kirche ehrliche Missbrauchsaufarbeitung

Aigner: "Versetzen, vergessen, verjähren" darf keine Praxis mehr sein

Veröffentlicht am 24.03.2023 um 17:10 Uhr – Lesedauer: 

Unterwössen ‐ Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner hat die katholische Kirche zu einer "ehrlichen Aufarbeitung" von Missbrauch aufgerufen. Zugleich nahm sie bei dem Besuch eines neuen Andachtsraums für Opfer sexuellen Missbrauchs auch den Staat in die Pflicht.

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Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner ruft die katholische Kirche zu einer "ehrlichen Aufarbeitung" von Missbrauch auf. "Versetzen, vergessen, verjähren" dürfe keine Praxis mehr sein, sagte Aigner am Freitag im oberbayerischen Unterwössen. Viel zu lange habe die Kirche den Schutz ihrer Institution vor den der Schutzlosen gestellt. Zugleich räumte sie ein, dass auch der Staat Verantwortung trage. Er müsse ein Auge darauf haben, dass kircheninterne Regelungen nicht die Täter schützten, sondern die Opfer in den Mittelpunkt stellten.

"Es war einfach zu spät für Gerechtigkeit"

Die Landtagspräsidentin begrüßte, dass der Rechtsstaat mittlerweile konsequenter gegen sexuellen Missbrauch vorgehe. Sie hätte sich das aber schon viel früher gewünscht, fügte sie hinzu. Die heutige Rechtslage unterscheide sich fundamental von jener etwa der 1950er und 1960er Jahre. Inzwischen seien etwa die Verjährungsfristen deutlich verlängert worden.

Das 2022 vorgestellte Missbrauchsgutachten des Erzbistums München und Freising werfe auch nach Einstellung der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft immer noch viele Fragen auf, fügte Aigner hinzu: "Keine Nachweise für Beihilfen zu Missbrauch, viele Verjährungen – es war einfach zu spät für Gerechtigkeit." Vertrauen zurückzugewinnen, das müsse die Kirche auch um ihrer selbst willen tun. Aber nicht nur in der Kirche, sondern überall in der Gesellschaft brauche es weiter viel Mut zur Wahrheit.

Andachtsraum erinnert an das Leid von Missbrauchsbetroffenen

Anlass war der Besuch Aigners in der Unterwössener Pfarrkirche Sankt Martin. Dort war im Herbst 2022 ein Andachtsraum im Austausch mit dem Betroffenenbeirat der Erzdiözese München und Freising entstanden. Er erinnert an das Leid von Missbrauchsbetroffenen. Geschaffen hat ihn der ortsansässige Bildhauer Andreas Kuhnlein.

Auf dem Gebiet der Pfarrei hatte ein inzwischen verstorbener Priester mehrere Jugendliche in den 1960er Jahren missbraucht. Die Holzskulpturen zeigen Verurteilung, Kreuzigung und Auferstehung Jesu. Inschriften in den bläulich schimmernden Fenstern des Raumes stellen einen Zusammenhang zwischen der Passion Christi und der Situation Missbrauchsbetroffener her. Der Münchner Generalvikar Christoph Klingan sagte, das Erzbistum werde bei Aufarbeitung und Prävention nicht nachlassen. Beides blieben zentrale Aufgaben. Dabei bekundete er auch Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Staat. (KNA)