Trotz Protest: Erzbischof Gänswein "gut gelaunt und leutselig"
Ein Besuch von Erzbischof Georg Gänswein im oberbayerischen Marienwallfahrtsort Altötting ist am Samstagabend von Protesten begleitet worden. Der langjährige Vertraute des verstorbenen emeritierten Papstes Benedikt XVI. stellte mit Verleger Manuel Herder im voll besetzten großen Saal des Kongress-Forums sein neues Buch "Nichts als die Wahrheit" rund 400 Besuchern vor. Vor der Tür hatte sich eine Gruppe von etwa 20 Personen der "Initiative Sauerteig" aus Garching an der Alz und von "Wir sind Kirche" postiert.
Die Demonstranten reklamierten auf Bannern und Handzetteln, dass aus ihrer Sicht Ratzingers Wissen um Missbrauch in der Kirche auch zur Wahrheit gehöre. Gänswein selbst sagte dem Bayerischen Rundfunk (BR) zu den Vorwürfen der Demonstranten, dass seiner Meinung nach bereits gründlich Aufklärung betrieben werde. "Mir ging es nicht darum, Aufklärung in einer bestimmten Sache zu machen. Das wird schon längst getan. Das wird meines Erachtens gründlich getan. Das braucht etwas Zeit, aber es wird gründlich getan."
Gegenprotest: "Schämt Euch!"
Laut BR verhielten sich die Demonstrierenden friedlich, es kam zu keinen Ausschreitungen. Allerdings habe es vereinzelt Streitgespräche zwischen Demonstranten und Besuchern der Lesung gegeben. Einer von ihnen habe die Demonstration eine "Unverschämtheit" genannt und "Schämt Euch!" gerufen. Zu einer direkten Begegnung mit Erzbischof Gänswein kam es jedoch nicht. Die Demonstration spielte bei der Veranstaltung keine Rolle, auch nicht seine künftige Tätigkeit.
Gänswein habe das Publikum im Saal stattdessen "gut gelaunt und leutselig" mit Anekdoten aus dem Vatikan unterhalten. "Der Vatikan ist eine Welt wie überall", sagte Gänswein laut BR, nur die Kleidung sei anders ("Je höher man steigt, desto länger wird sie").
Fotos und Autogramme
Der Vatikan sei "uralt", erklärte Gänswein. "Also nicht nur die Mauern, auch die Leute." Und die dort sehr verbreitete "Freundlichkeit" sei das, was er dort am meisten schätze. "Man ist auf kleinem Gebiet international besetzt." Anschließend habe er viele Wünsche einer Signierung seines Buches und schneller gemeinsamer Fotos erfüllt.
Die "Initiative Sauerteig" entstand in Garching im Zusammenhang mit der Aufarbeitung von Missbrauchstaten durch einen bereits einschlägig vorbestraften Pfarrer. Die Initiative fordert "Entschädigungen, die dem wahren Ausmaß des Schadens gerecht werden". Sie unterstützt unter anderem die Zivilklage eines mutmaßlichen Missbrauchsopfers.
Der Mann verlangt vom Erzbistum München und Freising, dem als Täter beschuldigten Priester und mehreren früheren Münchner Erzbischöfen Schadensersatz. Zu den Beklagten zählt auch der inzwischen verstorbene Joseph Ratzinger. Eine mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Traunstein soll am 20. Juni beginnen. Im Falle von Ratzinger geht die Klage auf seine gesetzlichen Erben über, die noch nicht ermittelt sind. Das Erzbistum München und Freising hat bereits signalisiert, dass es zu einer angemessenen Entschädigung bereit ist. (ben/KNA)