Antisemitismusbeauftragter wendet sich gegen Plastik an Wittenberger Stadtkirche

Wegen "Judensau": Forderung nach Aberkennung von Unesco-Status

Veröffentlicht am 28.04.2023 um 18:54 Uhr – Lesedauer: 

Wittenberg/Berlin ‐ Die Wittenberger Schmähplastik "Judensau" sorgt weiter für Furore: Nun fordert der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, den Unesco-Welterbestatus der Stadtkirche aufzuheben.

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Im Streit um eine Schmähplastik an der Außenfassade der Stadtkirche in Wittenberg hat der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, eine Aberkennung des Unesco-Welterbestatus gefordert. "Die Verunglimpfung von Religionen ist unvereinbar mit den Unesco-Grundprinzipien", sagte Klein dem "Spiegel" (Freitag). Wiederholt hatte Klein eine Entfernung der Darstellung gefordert.

"2019 wurde der Karneval im belgischen Aalst wegen antisemitischer Darstellungen von der Liste des Weltkulturerbes gestrichen", sagte Klein laut "Spiegel". Die Unesco solle auch Wittenberg von der Liste streichen, wenn die Schmähplastik hängen bleibe.

Die mittelalterliche in Stein gemeißelte Schmähplastik einer "Judensau" zeigt an der Südfassade der Stadtkirche eine Sau, an deren Zitzen Menschen trinken, die Juden darstellen sollen. Ein als Rabbiner dargestellter Mensch blickt dem Tier in den After. Schweine gelten im Judentum als unreine Tiere. Solche Schmähplastiken sind im Mittelalter auch an anderen Kirchen angebracht worden. Unter anderem am Regensburger Dom sind sie bis heute zu sehen. Die Zusammenhänge und antisemitischen Hintergründe werden dort wie in Wittenberg auf Informationstafeln erklärt und eingeordnet.

Plastik soll an Kirche verbleiben

Im Oktober 2022 hatte der Gemeindekirchenrat in Wittenberg nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs entschieden, die Schmähplastik an der Außenfassade zu belassen und die schon bestehende "Stätte der Mahnung" weiterzuentwickeln. Ein zuvor eingesetztes Experten-Gremium hatte für eine Abnahme votiert. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu einer Beschwerde steht noch aus.

Mitte April hatte die evangelische Kirchengemeinde die Mahnstätte an der Stadtkirche mit einer aktualisierten Infotafel versehen und drei Roll-Ups in der Kirche aufgestellt, die über den christlichen Antijudaismus informieren unter anderem auch bei Reformator Martin Luther sowie in Verschwörungstheorien.

Der Text auf der Infotafel wurde demnach um die Bitte um Vergebung an "Gott und das jüdische Volk" ergänzt. Ferner heißt es: "Die Evangelische Kirche sieht sich in der Verantwortung, ihren Anteil zur jahrhundertelangen Gewaltgeschichte gegen Juden kritisch aufzuarbeiten und gegen Antijudaismus und Antisemitismus aktiv einzutreten." (KNA)