Am Donnerstag wird der dienstälteste Benediktinerabt weltweit 70 Jahre alt

Nach 34 Jahren im Amt: Der Mettener Abt Wolfgang Hagl zieht Bilanz

Veröffentlicht am 31.05.2023 um 00:01 Uhr – Von Barbara Just (KNA) – Lesedauer: 6 MINUTEN

Metten ‐ Eigentlich wollte er gar nicht Abt werden, bekennt Wolfgang Hagl im Interview. Und doch stand er stolze 34 Jahre an der Spitze des niederbayerischen Benediktinerklosters Metten. Jetzt wird er 70 Jahre alt und die Wahl eines Nachfolgers steht an. Im Interview zieht Hagl eine Bilanz seines Wirkens.

  • Teilen:

Seit 34 Jahren leitet Wolfgang Hagl das niederbayerischen Kloster Metten. Am 1. Juni wird der derzeit dienstälteste Benediktinerabt weltweit 70 Jahre alt. Damit steht die Wahl eines Nachfolgers an. Im Interview blickt der Ordensmann zurück. Er spricht darüber, was ihn bewegt hat und warum er noch nicht weiß, was auf ihn im Ruhestand zukommen wird.

Frage: Abt Wolfgang, was hatten Sie sich bei Ihrem Amtsantritt 1989 vorgenommen?

Hagl: Ich wollte ja gar nicht Abt werden. Mit einem guten Freund hatte ich zuvor eine Fußwallfahrt auf den Bogenberg gemacht mit dem intensiven Wunsch, die Gottesmutter möge helfen, dass die Wahl nicht auf mich fällt. Aber unser Kirchenrechtler im Orden, Stephan Haering, hat immer gesagt, ein solches Amt darf man nicht ablehnen. Da stecke Gottes Wille dahinter; das müsse man annehmen und ausfüllen. So habe ich mich eben eingearbeitet.

Frage: Und wie hat es letztlich funktioniert?

Hagl: Es kommen viele Dinge, mit denen man nicht rechnet. Schmerzhaft ist etwa, wenn ein neuer Mitbruder, in den man viel Hoffnung gesetzt hat, die Gemeinschaft dann doch verlässt. Die Betreffenden gehen ihren Weg, selten sehen sie aber, welchen Schmerz sie hinterlassen bei denen, die bleiben. Und da sind die Todesfälle. Der schlimmste war für mich, als Pater Stephan Haering 2020 mit 61 Jahren plötzlich gestorben ist. Ganz ehrlich: Nach wie vor kann ich nicht verstehen, worin da der Wille Gottes liegen soll.

Frage: Aber es gab auch Schönes.

Hagl: Und ob. Dazu gehörte 1991 der 80. Geburtstag von meinem Vorvorgänger Kardinal Augustinus Mayer (1911-2010). Ein wunderbares Fest mit den Kardinälen Ratzinger, Meisner und Wetter. Ein anderes Mal besuchte uns Bundespräsident Horst Köhler als Schirmherr der 100. multinationalen Schülerakademie. Das Treffen mit 60 hochbegabten Schülern aus Deutschland, Polen, Österreich, der Slowakei und Tschechien fand lange bei uns im Kloster statt. Das Spannendste an meinem Amt war, immer wieder Menschen aller Art zu begegnen.

„Für die Seelsorge gilt, den Menschen nachzugehen. Diese müssen spüren, dass man sie mag. Es reicht als Pfarrer nicht, nur Funktionär zu sein.“

—  Zitat: Abt Wolfgang Hagl

Frage: Die berühmte Gastfreundschaft der Benediktiner, oder?

Hagl: Dass wir uns als Benediktiner für Menschen öffnen, ist ganz wichtig. Vor allem für jene, die Sehnsucht nach Stille haben. Einzelgästen können wir anbieten, in den strukturierten Rhythmus von Arbeit, Gebet und Stille einzutauchen. Ohne Handy, Laptop, Internet. In der Stille liegt die größte Kraft. Da steigt auf, was wir permanent verdrängen. Bei Bedarf kann man mit jemandem sprechen. So kann sich einiges im eigenen Leben sortieren.

Frage: Wie sehen Sie Ihre Rolle?

Hagl: Mich freut es unheimlich, wenn sich Menschen einem anvertrauen. Ich bin nicht der Problemlöser, aber ich kann mithelfen, auf eine Lösung zu kommen. Auch durch das Gebet. Für die Seelsorge gilt, den Menschen nachzugehen. Diese müssen spüren, dass man sie mag. Es reicht als Pfarrer nicht, nur Funktionär zu sein.

Frage: 2016 wurde das 1.250jährige Bestehen des Klosters gefeiert ...

Hagl: Wir haben die Anlage zum Jubiläum von Grund auf saniert. Mit dem Konvent sind wir auf Wallfahrt nach Rom zu Papst Benedikt XVI. Er hat Metten früher öfter besucht, weil er mit Kardinal Mayer befreundet war. Auch ich habe Benedikt jährlich getroffen, zuletzt im April 2019. Im November 2022, wenige Wochen vor seinem Tod, ließ er über Erzbischof Georg Gänswein mich fragen. Denn der emeritierte Papst hatte noch im Kopf gehabt, dass meine Amtszeit 2023 endet, und wollte deshalb wissen, wie es bei uns dann weitergeht. Ich habe ihn als fürsorglichen und großartigen Menschen erlebt.

Frage: Metten ist bekannt für sein Gymnasium. Sind die Kosten noch zu schaffen?

Hagl: Die Schule ist uns lieb und teuer. Mit Zuschüssen von der Diözese Regensburg, dem Landkreis Deggendorf und Schulgeld kommen wir auf eine schwarze Null. Vor allem aber ist mit der Schule eine wunderbare Aufgabe verbunden. Täglich sind 430 Schülerinnen und Schüler im Haus. Wir dürfen junge Menschen in der Zeit ihrer Reifung begleiten. Als verschüchterte Zehnjährige kommen sie, als selbstbewusste Abiturienten verlassen sie uns.

Ein Kloster samt Kirche liegt in einem Garten.
Bild: ©hwtravel/Fotolia.com

Die bayerische Benediktiner-Abtei Kloster Metten.

Frage: Worauf legen Sie Wert?

Hagl: Nicht nur auf Latein und Mathe. Auch Musik, Theater, Kunst und Sport sind uns wichtig. Da lassen sich Stärken entdecken. Wenn ein eher fauler Schüler auf der Bühne brilliert, muss mancher Lehrer sein Bild revidieren. Mit einem engagierten Lehrerkollegium haben wir auch den Wechsel zum G8 und wieder zurück zum G9 geschafft.

Frage: Wie sind sie mit dem Thema Missbrauch umgegangen?

Hagl: Offen und transparent. Es gab viele Gespräche mit ehemaligen Schülern. Vorwürfe wurden laut. Alles lag schon längere Zeit zurück. Allerdings gab es noch einen Mönch, den wir angezeigt und uns dann von ihm getrennt haben. Dabei ging es um fragwürdige Textnachrichten aufs Handy eines Schülers.

Frage: Ist Ihnen vor dem Ruhestand bang?

Hagl: Nein. Sobald mein Nachfolger feststeht, werde ich ein Sabbatjahr nehmen. Er soll nicht das Gefühl haben, es schaut ihm ständig jemand über die Schulter. Ich selber will wieder mehr klassische Konzerte besuchen. Eine Karte für die Festspiele in Salzburg, wo ich studiert habe, zu Bruckners Siebter Symphonie und Verdis "Te Deum" habe ich schon. Zudem bin ich Freund von Mozart- und Wagner-Opern. Und natürlich will ich weiter als Seelsorger aktiv sein.

Frage: Ein Tipp für den neuen Abt?

Hagl: Unverdrossen die Regel befolgen und mit den Brüdern zusammen schauen, dass Jesus nichts vorgezogen wird. Dem heiligen Benedikt geht es immer darum, das rechte Maß zu finden. Das ist und bleibt eine Lebensaufgabe.

Von Barbara Just (KNA)