"Professionalität hat keine Konfession": 75 Jahre GKP
Worin unterscheiden sich katholische Journalisten von anderen? Wie frei und kritisch dürfen kirchliche Medien sein? Sind katholische Medienleute per se Aktivisten? Und wie lassen sich die ethischen Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz (KI) in den Griff kriegen? Über diese und andere Fragen spricht Joachim Frank, der Vorsitzende der Gesellschaft katholischer Publizisten (GKP), im Interview. Vom 15. bis 17. Juni feiert die GKP in Köln ihr 75-jähriges Bestehen.
Frage: Herr Frank, die GKP wird 75. Worin unterscheiden sich eigentlich katholische Publizisten und Journalistinnen von anderen?
Frank: Hoffentlich gar nicht – jedenfalls nicht, was die Qualität der Arbeit angeht und das journalistische Instrumentarium: Professionalität hat keine Konfession.
Frage: Also sollte man es gar nicht merken in der täglichen Arbeit?
Frank: Beim Handwerk nicht, aber vielleicht in der grundsätzlichen Haltung. Wie formuliere ich das am besten? Christen sollten eine besondere Verantwortung übernehmen aus ihrer Glaubensüberzeugung heraus. Menschenfreundlichkeit könnte man vielleicht sagen – oder Nächstenliebe. Dazu gehört etwa, sich mit den Schwachen zu solidarisieren.
Frage: Mit welchen Vorbehalten müssen katholische Publizisten in den Redaktionen leben? Gibt es die Sorge, da wolle jemand missionieren?
Frank: Das hängt sicher vor allem davon ab, wie der oder die Einzelne auftritt. Allerdings muss man feststellen, dass der Missbrauchsskandal und andere Entwicklungen das Label "katholisch" insgesamt nicht gerade populärer gemacht haben. Das gilt aber nicht nur in den Medien.
Frage: Was bedeutet das für die GKP?
Frank: Dass es sie nötiger als je braucht, sage ich als Vorsitzender. Im Ernst: Ganz gegen den katholischen Trend wachsen wir und haben so viele Mitglieder wie nie zuvor. Das ist für mich allerdings auch ein Krisenindikator: Menschen, die ihr teils bis zum Zerreißen gespanntes Band mit der Kirche immer noch nicht gekappt haben, vernetzen sich mit anderen, denen es ähnlich geht und die sich fragen: Gehen oder bleiben? Und wenn bleiben, dann warum und wie?
Frage: Ihr Verband befasst sich intensiv mit ethischen Fragen. Da wird zurzeit ja viel über "Haltungsjournalismus" oder "Aktivismus" gesprochen, oft sehr kritisch. Sind katholische Medienschaffende nicht grundsätzlich Aktivisten?
Frank: Oh, das hat viele Facetten. Was mich grundsätzlich stört an der Denunziation des "Haltungsjournalismus", ist die Tatsache, dass die fast immer nur von denen kommt, die sich kritisiert fühlen – ob es um Klimawandel geht, Corona, Krieg oder auch um Kirche. Ich habe es noch kaum erlebt, dass Medienleuten "Aktivismus" vorgeworfen wurde, die zum Beispiel auf Klimakleber schimpfen, Corona-Leugnern Recht geben oder kirchliche Reformbemühungen verdammen.
Frage: Also gehört für Sie eine gewisse Haltung dazu?
Frank: Journalismus ist kein Durchlauferhitzer für Informationen, sondern hat einen Auftrag. Der ist orientiert an den Grundwerten und damit auch am Einsatz für die, denen Unrecht geschieht, die unter Missbrauch leiden, auch dem Missbrauch von Macht. Ihnen muss Journalismus eine Stimme geben – und nicht Lautsprecher der Mächtigen sein.
Frage: Welche Haltung muss dann ein katholischer Journalist, eine katholische Publizistin haben? Konkret: Passt es zusammen, über Kirche zu berichten und selbst kirchlich engagiert zu sein? Vielleicht analog zur Debatte, ob politische Berichterstatter in einer Partei aktiv sein sollten...
Frank: Das ist eine Gratwanderung, klar. Um bei Kirche zu bleiben: Ich finde es achtbar, wenn sich jemand ehrenamtlich engagiert. Wichtig sind zwei Dinge: Transparenz und keine Vermischung. Wenn ich auf mich schaue: Ich bin als GKP-Vorsitzender im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Das lege ich offen.
Frage: Momentan wird auch viel über Künstliche Intelligenz (KI) und Programme wie ChatGPT diskutiert. Vergrößern diese technischen Möglichkeiten die Gefahr der Desinformation und Manipulation?
Frank: Auf jeden Fall. Die Gefahr ist gewaltig, weil damit auch Kontrollinstrumente wegfallen. Wenn zur Überprüfung einer Information wieder KI-generierte Inhalte herangezogen werden, gerät man schnell in eine Art Desinformationsspirale. Und es wird dann immer schwerer, den Wahrheitsgehalt festzustellen.
Frage: Müsste man den Einsatz von KI verbieten? Oder zumindest regeln?
Frank: Verbieten ist Unsinn. Der Geist kann nicht mehr in die Flasche. Wahrscheinlich brauchen wir so etwas wie Gütesiegel oder Positivlisten. Und auf alle Fälle eine größtmögliche Transparenz, so dass Mediennutzende erkennen können, ob ein Text, ein Bild, ein Beitrag mit Hilfe von KI entstanden ist. Auch eine Selbstverpflichtung der Medien könnte ich mir vorstellen.
Frage: Viele Medien setzen heute auf konstruktiven, lösungsorientierten Journalismus – auch um einer Nachrichtenmüdigkeit angesichts der Horrormeldungen aus allen Bereichen entgegenzuwirken. Hilft das weiter? Auch mit Blick auf Kirche?
Frank: Zunächst darf es nicht zur Bedingung werden – nach dem Motto: Ihr dürft nichts kritisieren, wenn ihr nicht gleich auch eine Lösung mitliefert. Dafür sind erst einmal andere zuständig, und somit dürfen und müssen Medien auch weiter Missstände benennen. Aber wenn sich der Eindruck festmacht, wir würden immer nur alles niedermachen, kann das schon zum Überdruss führen. Ideen zur Verbesserung sollten also schon zur Kritik dazugehören.
Frage: Was heißt das für Kirche und die Berichterstattung darüber?
Frank: Neben der Problembeschreibung müssen wir auch berichten, was es für Ideen gibt, Probleme zu überwinden. Wo geht jemand neue Wege? Wo gibt es "Best-practice-Beispiele" mit Modellcharakter, die auch anderen Anregungen liefern könnten?
Frage: Kann man konstruktiv über Missbrauch berichten?
Frank: Natürlich gibt es keine positiven Seiten des Missbrauchs. Aber man könnte hier sagen: Destruktiv ist konstruktiv. Wenn man Vertuschung und Verharmlosung bloßlegt, den Abwieglern und Vereinfachern nicht auf den Leim geht, sondern sie entlarvt, dann ist das konstruktiv. Auch im Sinne der Betroffenen, die dadurch hoffentlich eher den Mut fassen, selbst die Stimme zu erheben, sich zu befreien von Lasten und Verstrickungen. Man muss das Falsche zerstören, um dem Richtigen Raum zu schaffen.
„Auch wenn die Institution auf dem Rückzug ist, die Kassen leerer werden und alle Ausgaben auf den Prüfstand kommen, ist es wichtig, gute Informationsangebote aufrechtzuerhalten.“
Frage: Womit man sich aber nicht nur Freunde macht...
Frank: Sicher nicht. Am wenigsten bei denen, die Kirche für unantastbar und Kritik für Nestbeschmutzung halten. Aber auch bei allen Relativierern, die aufrechnen und sagen: "Die Kirche macht doch auch so viel Gutes!" oder "In Sportvereinen und in Familien gibt es doch auch Missbrauch." Alles richtig, aber das darf nie ein Argument dagegen sein, kritisch hinzuschauen und Probleme klar zu benennen. Erst recht nicht für katholische Publizistinnen und Publizisten...
Frage: ... und auch für katholische Medien?
Frank: Unbedingt! In Politik oder Wirtschaft lautet oft die Devise: Je schwieriger die aktuelle Lage, umso wichtiger gute Medienarbeit. Das gilt auch für Kirche: Auch wenn die Institution auf dem Rückzug ist, die Kassen leerer werden und alle Ausgaben auf den Prüfstand kommen, ist es wichtig, gute Informationsangebote aufrechtzuerhalten. Gerade weil immer weniger Menschen verstehen, was Kirche ist und tut und welche wichtige Rolle sie spielen kann.
Frage: Also bessere PR?
Frank: Bitte nicht nur! Eigen-PR ist nicht verwerflich, aber es muss darüber hinausgehen. Zum einen, indem man Anfragen offen und umfassend beantwortet. Zum anderen, indem eigene kirchliche Medien frei, ausgewogen und unabhängig berichten können und dafür auch ausreichend finanziert werden. Wer mit dem Zudrehen des Geldhahns droht, wenn er sich mal über einen Bericht ärgert, hat nichts verstanden. Denn wenn kirchliche Medien nur noch Hofberichterstattung machen, wie es offenbar manchen vorschwebt, werden sie von niemandem mehr ernstgenommen.
Frage: Zum Schluss nochmals zur GKP: Sie feiern jetzt den 75. Geburtstag. Wenn Sie noch ein Stück weiter nach vorne schauen: Welche Schlagzeile wünschen Sie sich zum 100. Geburtstag?
Frank (überlegt länger): Am liebsten zwei Schlagzeilen: "Mitgliederrekord im Jubiläumsjahr" und "Geistliche Beirätin der GKP wird erste deutsche Bischöfin".
Transparenzhinweis
Der Autor ist Mitglied der GKP.