Ein Milliardengeschäft
Auf den ersten Blick erscheint alles seriös und solide. "Kleider + Schuhe" prangt in roten Lettern auf der Frontseite des beigefarbenen Altkleider-Containers. Das Pluszeichen zwischen den beiden Worten erinnert ans Logo des Deutschen Roten Kreuzes. Doch weit gefehlt: Wer genauer hinsieht, findet keine Anzeichen auf die Organisation, die den Container am Straßenrand aufgestellt hat.
Dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall: "Ein großes Problem ist, dass man vielfach nicht erkennen kann, wer eigentlich sammelt", sagt Andreas Voget, Geschäftsführer des Dachverbandes FairWertung. Das bundesweit agierende Netzwerk aus kirchennahen und gemeinnützigen Organisationen gibt es seit 1994. Sein Ziel: Aufklären, was mit gesammelter Kleidung geschieht und für alle Beteiligten gerechte Standards durchsetzen.
Denn mit Kleidersammlungen lassen sich lukrative Geschäfte machen. Das ist prinzipiell erlaubt, aber manche Praktiken seien fragwürdig, erklärt Andreas Voget: "Es gibt eine hohe Zahl ungenehmigter Container, häufig haben sie keine Adresse oder Telefonnummer angegeben." FairWertung schätzt, dass bis zu einem Drittel aller Container in Deutschland ohne Erlaubnis aufgestellt wurden.
Wenig landet in Kleiderkammern für Bedürftige
Hierzulande sammeln sowohl gewerblich tätige Unternehmen als auch gemeinnützige Organisationen. Eine Tonne Altkleidung ist zwischen 350 und 500 Euro wert. Jährlich kommen in Deutschland rund 800.000 Tonnen zusammen. Nur ein ganz kleiner Teil landet in Kleiderkammern für Bedürftige, da es in Deutschland keinen Mangel an Klamotten gibt. Knapp die Hälfte lässt sich auf dem Second-Hand-Markt im In- und Ausland weiterverkaufen. 40 Prozent wird recycelt, daraus entstehen etwa Putzlappen oder Dämmstoffe. Weniger als zehn Prozent der Kleidung ist unbrauchbar und landet im Müll.
"Der Wettbewerb ist bedingt durch die hohen Preise sehr intensiv", sagt Andreas Wittmann von der Firma Wittmann Textil-Recycling aus dem bayerischen Geisenhausen. "Der Markt ist stark umkämpft, weil die Nachfrage nach gebrauchter Bekleidung etwa in der Ukraine, Rumänien, Bulgarien oder Polen groß ist." Die Firma Wittmann gehört zu den zehn größten in Deutschland. Sie legt Wert darauf, nicht mit den schwarzen Schafen der Branche verwechselt zu werden: "Bei uns steht auf jedem Container die Firmenadresse. Wir wünschen uns auch, dass die Kommunen illegale Container entfernen", so Andreas Wittmann. Doch die Rechtslage ist kompliziert.
Schwierig wird es immer dann, wenn Firmen ihr Geschäft verschleiern. "Auch bei Containern mit gemeinnützigem Logo kann es sich um eine gewerbliche Sammlung handeln", warnt Andreas Voget von FairWertung. Und zwar dann, wenn ein Unternehmen den Namen eines gemeinnützigen Vereins gemietet hat: "Das Gros der Erlöse bleibt bei der Firma, der Verein wird mit einer Pauschale abgefunden." Verboten ist das nicht. Trotzdem spricht Andreas Voget von einer "Irreführung der Leute, die ihre Kleidung spenden." Vorsichtig sein solle man zudem, wenn Sammeleimer vor der Haustür stehen. Dabei handle es sich meist um eine gewerbliche Sammlung unter "gemietetem" Vereinsnamen.
Ziele der Sammlung kennenlernen
"Auch viele kirchliche Organisationen nehmen die Unterstützung einer gewerblichen Sammelfirma in Anspruch, der Erlös bleibt nicht komplett im gemeinnützigen Bereich", sagt Gregor Uhl, Geschäftsführer der Aktion Hoffnung. Die Hilfsorganisation sammelt im Auftrag von Missio München und der Diözese Augsburg seit mehr als 25 Jahren Altkleider, verkauft diese und unterstützt internationale Entwicklungsprojekte. Wer möchte, dass seine Kleiderspende auch wirklich in caritative Projekte geht, sollte die Ziele der Sammlung kennen. So warnte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) des Landes Rheinland-Pfalz in der Vergangenheit etwa vor den Vereinen "Kinder-Kranken-Hilfe", "Pro Humanitas" oder "Vereinte Jugend- und Altenhilfe". Sie und andere hätten auf Nachfrage nicht angegeben, wohin ihre Erlöse gehen.
Weiterführende Links
Zum Dachverband FairWertung Zur Aktion Hoffnung Zur Arbeitshilfe vom Kolpingwerk (Diözesanverband Münster) Zum Fachverband Textilrecycling im Bundesverband Sekundärrohstoffe und VerwertungMancherorts sind gemeinnützige Organisationen durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz von 2012 zusätzlich unter Druck geraten. Seither erlauben manche Städte und Landkreise auf ihren Wertstoffhöfen nur noch eigene Kleidercontainer, in der Regel betrieben von gewerblichen Unternehmen. Ein Großteil des Erlöses fließt in den Kommunalhaushalt. Container gemeinnütziger Organisationen hingegen müssen weichen. "Vielen Organisationen geht so die Hauptfinanzierungsquelle ihrer Arbeit verloren", sagt Gregor Uhl von Aktion Hoffnung. Er fürchtet um die Zukunft dieser Art von Entwicklungszusammenarbeit und hofft, dass möglichst wenige Kommunen dem Beispiel folgen.
Wer alte Hosen, Hemden und Jacken loswerden will, sollte also nicht dem erstbesten Container am Straßenrand und auch nicht jedem Sammelaufruf blind vertrauen. Andreas Voget von FairWertung rät: "Auf jeden Fall schauen, ob auf dem Container eine vollständige Adresse steht, ob man anrufen kann und dort auch jemand verlässlich Auskunft gibt, was mit der Kleidung passiert."
Von Burkhard Schäfers