Armin Maiwald über Umgang mit Thema Religion im Kinderfernsehen

"Sendung mit der Maus"-Erfinder: Glauben ist für mich nicht so einfach

Veröffentlicht am 10.08.2023 um 00:01 Uhr – Von Roland Müller – Lesedauer: 

Köln ‐ Armin Maiwald ist einer der Erfinder der "Sendung mit der Maus". Unter den gestellten Kinderfragen war für ihn besonders diejenige nach Gott schwierig zu beantworten. Im katholisch.de-Interview spricht Maiwald über seinen Glauben, eine Nahtoderfahrung und den Vertrauensverlust der Kirche.

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Ende Juni war der "Sendung mit der Maus"-Erfinder Armin Maiwald im "Zeit"-Podcast "Alles gesagt?" zu Gast. Dort musste er sich spontan, neben vielen anderen gegensätzlichen Optionen, auch für eine dieser beiden Möglichkeiten entscheiden: "Gott" oder "kein Gott". Maiwald antwortete mit der zweiten Aussage. Im Interview mit katholisch.de erklärt die deutsche Fernseh-Legende, was es mit dieser Antwort auf sich hat.

Frage: Herr Maiwald, Sie haben sich im Podcast "Alles gesagt?" für die Option "kein Gott" entschieden. Warum glauben Sie nicht an Gott?

Maiwald: Das ist eine sehr schwierige Frage. Wer oder wie oder was soll Gott überhaupt sein? Jede Eigenschaft, die man Gott zuschreibt, ist schließlich schon eine Begrenzung. Wenn Gott wirklich das allmächtige und überall anwesende Wesen ist – oder eben nicht –, dann ist jeder Name, den man ihm gibt, schon eine Beschränkung. Deshalb habe ich meine Schwierigkeiten mit dem Glauben.

Frage: Bezeichnen Sie sich selbst als Atheisten? Oder eher als Agnostiker?

Maiwald: Ich bin dagegen, solche Plakate zu verteilen. Ich bin weder das eine noch das andere. 

Frage: Wie beschreiben Sie das, woran Sie glauben?

Maiwald: Es ist schwierig, den Glauben in Worte zu bringen. Denn auf die Frage "Wo wohnt der liebe Gott?" folgen meist alberne Antworten. Denn wir wissen nicht, ob er auf Wolke 7 oder auf Wolke 8 oder irgendwo weit entfernt im Weltraum wohnt. Deshalb habe ich große Schwierigkeiten, das auch nur annähernd beschreiben zu können. Der Theologe Hans Küng hat einmal eine sehr kluge Frage mit Blick auf die Existenz Gottes gestellt: "Was war eigentlich in der Sekunde vor dem Urknall?" Hier sieht man, in welchen Bereichen man sich mit der Frage nach dem Glauben bewegt – Bereiche, in denen man eigentlich keine verantwortbaren Antworten geben kann. Denn sie sind von vornherein zu stark begrenzt. 

Frage: Für viele Menschen ist die Frage nach Gott nicht nur eine theoretische, sondern sie haben auf irgendeine Weise die Erfahrung Gottes gemacht. Können Sie das verstehen?

Maiwald: Ich habe großen Respekt vor Menschen, die die Gabe des Glaubens haben. Aber für mich ist das nicht so einfach.

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Frage: Aber trotzdem beschäftigen Sie sich immer wieder mit diesem Thema und haben vor einigen Jahren mit anderen Autoren zusammen ein Buch über Jesus geschrieben.

Maiwald: Jesus ist eine illustre Figur. Wir wollten uns Jesus unter der Frage nähern, ob es diese Person wirklich gegeben haben kann. Und falls ja, wie es sein Leben historisch gewesen sein könnte – auch wenn dabei viel Spekulation im Spiel ist. Denn es gibt sehr wenige belastbare Quellen zu Jesus. Die Evangelien sind viele Jahrzehnte nach seinem Tod geschrieben worden. Das wäre vergleichbar damit, dass wir heute einen Tatsachenbericht über Vorkommnisse vor etwa hundert Jahren schreiben wollten. Das würde nur an der Oberfläche kratzen, obwohl wir Fotos und viele andere Quellen jener Zeit zur Verfügung haben, die es zur Zeit Jesu nicht gegeben hat. Ich bin ein Kriegskind und selbst mir fällt es schwer, jüngeren Menschen zu erklären, wie die Zeit im und nach dem Zweiten Weltkrieg tatsächlich ausgesehen hat. Der Schrecken und die Angst, die es damals gab – das ist heutigen Generationen nicht vermittelbar, weil es so weit weg ist. 

Frage: Auch wenn Sie nicht an die Göttlichkeit Jesu glauben, kann er doch als Vorbild für ein Leben nach ethischen Maßstäben dienen...

Maiwald: Das ist ganz sicher richtig. In Deutschland sind wir geprägt durch zwei Jahrtausende der christlichen Religion. Dieses Erbe können wir gar nicht abschütteln. Schließlich steht in jedem Dorf eine Kirche, die ein Beweis für die Gläubigkeit der Generationen vor uns ist. In meiner Heimatstadt Köln steht der Dom, der ein bedeutendes Wahrzeichen ist – die Ablasszahlungen, durch die sein Bau finanziert wurde, lasse ich mal außen vor. Unsere Gesellschaft hat ihre Wurzeln im Christentum.

Frage: Als Kölner sind Sie katholisch geprägt. Wie hat Sie das beeinflusst?

Maiwald: Als Kind und Jugendlicher war das Katholisch-Sein für mich normal. Man wurde damals einfach getauft, man ging zur Erstkommunion und zur Firmung; ich war auch Messdiener. Ab dem Alter von 14 oder 15 Jahren kamen mir dann Zweifel an all dem. Die katholische Kirche ist sehr dogmatisch, was wahrscheinlich auch die Grenze ihrer Wandlungsfähigkeit ist. Ich habe vor kurzem die Meinung eines Professors gelesen, der davon ausgeht, dass die Kirche an sich selbst zerbricht, wenn sie sich zu sehr reformieren würde, wie es etwa die Bewegung "Maria 2.0" fordert. An dieser Meinung ist vieles richtig, die Kirche fußt auf einem Betonsockel, der unumstößlich ist. Daran lässt sich wahrscheinlich nichts machen. Außerdem ist viel Vertrauen in die Kirche verloren gegangen, wegen der vielen Skandale in den letzten Jahren. Die Kirche ist mit den vielen Missbrauchsfällen verkehrt umgegangen und hat nur an das eigene Wohl gedacht, nicht an das der Opfer. Sie hat ihre wichtigste Währung verloren, das Vertrauen. Vor 30 Jahren war das etwa im heutigen Ostdeutschland ganz anders, als vor dem Fall der Berliner Mauer sich die Menschen in den Kirchen versammelt haben, weil sie die einzigen vertrauenswürdigen Institutionen in der DDR waren. Doch jetzt ist dieses Vertrauen verlorengegangen, was sich an den vielen Kirchenaustritten zeigt.

Frage: Merken Sie das momentan auch in Ihrem Umfeld in Köln? Das Erzbistum Köln befindet sich ja ganz besonders in der Krise.

Maiwald: Mit Blick auf Kardinal Woelki halte ich es generell mit der Unschuldsvermutung, solange nicht die Schuld bewiesen ist. Aber ich glaube, dass unser Kardinal nicht besonders klug gehandelt hat. Wenn ein Gerichtsprozess gegen einen Kölner Erzbischof anhängig ist – das darf eigentlich nicht wahr sein!

Kardinal Rainer Maria Woelki hält seinen Pileolus fest
Bild: ©picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alessandra Tarantino

Armin Maiwald über Kardinal Rainer Maria Woelki: "Wenn ein Gerichtsprozess gegen einen Kölner Erzbischof anhängig ist – das darf eigentlich nicht wahr sein!"

Frage: Wie sind Sie bei der Sendung mit der Maus mit den Themen zu Glaube und Religion umgegangen?

Maiwald: Wir haben sie völlig neutral behandelt, das ist auch die einzige Möglichkeit. Wir haben zum Beispiel einen Film zum Unterschied zwischen katholischen und protestantischen Hostien gemacht. Wir waren auch in Synagogen und Moscheen. Das war alles in Ordnung, bis wir zum ersten Mal den Fuß in eine Moschee gesetzt haben. Das gab einen Shitstorm sondergleichen! Dabei haben wir nur banale Dinge gezeigt, etwa wie eine Moschee aussieht und welche Regeln dort gelten. Wir haben natürlich nicht gesagt, der Islam wäre ein richtiger oder falscher Glaube – um Gottes Willen! Das ist sicherlich auch eine der letzten nicht gelösten Fragen, die wir bei der Sendung mit der Maus mehrere hundert Mal bekommen haben, die schon angesprochene Frage "Wo wohnt der liebe Gott?". Darauf können wir keine seriöse Antwort geben. Denn jede verbale Beschreibung wäre eine Beschränkung.

Frage: Wie sind Sie an diese Fragen herangegangen, wenn sie von den Kindern kamen?

Maiwald: Natürlich muss man bei diesen Themen sehr sensibel sein. Denn es gibt die Gefahr, dass man einem Großteil der Bevölkerung auf die Füße tritt, die es völlig anders sieht. Da muss man mit furchtbarem Gegenwind rechnen. Diese Fragen kamen immer schonmal wieder, aber es wurden eher andere Fragen an uns herangetragen. 

Frage: Zum Schluss eine Frage, die vielleicht auch bei der Sendung mit der Maus von Kindern gestellt wurde: Was kommt nach dem Tod? Was ist Ihre Antwort darauf?

Maiwald: Ich glaube, dass mit unserem Körper nichts mehr passiert, außer, dass die Würmer ein leckeres Mittagessen haben. Ob es eine Seele gibt, die in den Himmel oder die Hölle kommt – ich habe keine Ahnung. Dafür gibt es keine rationale Erklärung. Man kann nur glauben und sagen, es ist so oder nicht. Ich bin in dieser Hinsicht kein sehr spiritueller Mensch. Aber ich glaube schon, dass es etwas gibt, das neben dem Körper noch da ist. Ich bin um ein Haar schon einmal gestorben und habe das erlebt, was man eine Nahtoderfahrung nennt. Ich hatte das Gefühl, dass ich sterben werde. Es war wie ein Lichtblitz. Als ich am nächsten Morgen aufgewacht bin, habe ich mich gefragt, ob ich wirklich noch lebe oder schon irgendwo anders bin. Aber ich kann nicht sagen, ob mein seelischer Anteil, wenn man es so nennen will, sich irgendwo hinbegeben hat und aus meinem Körper verschwunden ist. Aber es gibt viel mehr zwischen Himmel und Erde als wir uns vorstellen können, etwa Mütter, die gefühlt haben, dass ihr Sohn im Krieg gefallen ist, oder ähnliches. Nicht für alles im Leben gibt es eine rationale Erklärung. Und genau da sind wir an der Stelle, an der der Glauben anfängt – oder eben auch nicht.

Von Roland Müller