Fehlender Wille zu Transparenz führe zu verstärktem Vertrauensverlust

Journalistin: Missbrauchsaufarbeitung in Polen wird noch Jahre dauern

Veröffentlicht am 28.07.2023 um 12:21 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Auch die Kirche in Polen erfährt durch den Missbrauchsskandal einen enormen Vertrauensverlust. Die Journalistin Paulina Guzik kritisiert die Kirche in ihrem Heimatland für das schleppende Tempo in Sachen Aufarbeitung – und den fehlenden Willen.

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Die polnische Journalistin Paulina Guzik sieht die Kirche in ihrem Heimaltland aufgrund der verschleppten Aufklärung der Missbrauchsfälle in einer schweren Krise, die sich verschärfen werde. "Wir sind noch ganz am Anfang unserer Aufarbeitung. Das ist das große Problem, dass diese Prozesse bei uns extrem langsam anlaufen", sagte die Auslandsredakteurin des US-Magazins "OSV News" am Freitag dem Portal "domradio.de". Jahrelang sei gesagt worden, Missbrauch sei kein polnisches Problem. "Heute merken wir, dass das schlicht und einfach nicht wahr gewesen ist."

Das "große Erwachen" für die polnische Gesellschaft sei 2018 eingetreten, als die Fernsehdokumentation "Nur sag es niemandem" über den Missbrauch in der Kirche Polens veröffentlicht wurde. Den Gläubigen sei damals bewusst geworden, dass sie über Jahrzehnte belogen worden seien. "Uns wurde vorgegaukelt, dass das Missbrauchsproblem in Polen nicht existiert, während unsere eigenen Kinder dieser Gefahr selbst ausgesetzt waren", so Guzik. Am meisten habe die Menschen verletzt, dass die Täter nie richtig strafrechtlich verfolgt worden seien.

"Schlichtweg fehlt einfach die Transparenz"

Zwar gebe es einzelne Institutionen und Verantwortliche, die in Sachen Aufarbeitung und Prävention gute Arbeit leisteten. "Trotzdem ist die Krise für die Gläubigen immer noch ungeklärt, auch weil wir schlicht und einfach die Zahlen und Ausmaße nicht kennen", erklärt die Journalistin. Es sei nicht bekannt, welche Täter wie bestraft worden seien. "Es gibt bis heute keine Studie. Schlichtweg fehlt einfach die Transparenz." Aktuell werde von der Bischofskonferenz zwar eine Aufarbeitungskommission eingesetzt, ihre Konstituierung werde sich allerdings hinziehen. "Es wird also noch lange Jahre dauern, bis wir den Missbrauchsskandal in Polen aufgearbeitet haben."

Für Guzik ist gerade der Missbrauchsskandal einer der Hauptgründe für eine zunehmende Säkularisierung in Polen. Die Leute verlören das Vertrauen und die Geduld, besonders die jüngeren. "Den jungen Leuten ist sehr bewusst, was in der Kirche gerade abgeht. Man merkt, dass die Kirche gar keinen Willen zur Aufklärung zeigt."

In den vergangenen Jahren wurde das Ausmaß des Missbrauchsskandals in der Kirche Polens immer deutlicher. Ein Bericht der Tageszeitung "Rzeczpospolita" vom Mai spricht von Schätzungen, wonach mindestens 1.100 Minderjährige sexuell missbraucht worden sind. Der Primas von Polen, Erzbischof Wojciech Polak, erklärte im Blick auf die Betroffenen, es sei "beschämend, dass wir jahrzehntelang das Unrecht und ihr Leid nicht wahrgenommen haben". (mal)