Papst Franziskus: Zeit nicht reif für Drittes Vatikanisches Konzil
Papst Franziskus hat sich gegen die Einberufung eines weiteren Konzils in der katholischen Kirche ausgesprochen. Die Zeit sei "nicht reif für ein Drittes Vatikanisches Konzil", sagte das Kirchenoberhaupt im Interview mit der spanischen Zeitschrift "Vida Nueva", das am Freitag veröffentlicht wurde. Die Einberufung eines neuen Konzils sei nicht notwendig, da das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) noch im Prozess der Umsetzung sei, so Franziskus. Er wies Verdächtigungen zurück, dass von ihm angestrebte Reformen wie bei den "Altkatholiken" zu einem Schisma führen würden. Diese hätten sich zur Zeit des Ersten Vatikanischen Konzils (1869/70) fälschlich als "Verwahrer des wahren Glaubens" verstanden. Entsprechende Behauptungen seiner Gegner müsse man mit "klaren Argumenten" bekämpfen.
Der Papst sprach sich zudem dafür aus, bei Synoden dem Wirken Gottes Raum zu lassen und keine vorgefertigte Agenda zu verfolgen. "Es gibt etwas, das ich stetig wiederhole: Bei der Synode ist der Heilige Geist die Hauptperson." Wer während einer Kirchenversammlung nicht bete, werde keinen Erfolg haben, sondern als Ergebnis eine Ideologie oder eine politische Position haben. Ein Beispiel für das Wirken des Heiligen Geistes sei die Amazonas-Synode 2019 gewesen, bei der im Vorfeld sehr viel über die Möglichkeit der Weihe von sogenannten "viri probati" gesprochen worden sei, so Franziskus. Schließlich habe durch das "progressive" Wirken des Geistes die Frage der Weihe bewährter, verheirateter Männer nicht im Zentrum gestanden, aber es sei dafür über viele weitere wichtige Themen, wie die Arbeit von Katecheten, gesprochen worden. Es sei jedoch ein großer Fortschritt bei den Synoden, dass die Themen von den Organisatoren der Versammlungen nicht mehr "bereinigt" würden. "Heutzutage stimmt man über alles ab und hört sich alles an."
Sich selbst bezeichnete der Papst als "Opfer des Heiligen Geistes". Er habe nicht damit gerechnet, 2013 zum Papst gewählt zu werden. Als viele andere Kardinäle bereits davon ausgingen, dass er zum Papst gewählt wurde, habe er ihre Anspielungen und Fragen nicht verstanden, sagte Franziskus. So habe ihn etwa der chilenische Kardinal Francisco Javier Errázuriz gefragt, ob er schon seine Rede vorbereitet habe. Als der damalige Kardinal Bergoglio ihn fragte, welche Ansprache, antwortete sein Gesprächspartner: "Die, die Du auf dem Balkon halten musst", so der heutige Papst. Weitere Kardinäle hätten sich nebenbei nach seinem Gesundheitszustand erkundigt oder ihn gebeten, von Lateinamerika zu erzählen. Er selbst habe die Hintergedanken dieser Gespräche erst später verstanden.
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Franziskus kündigte an, eine Reise in den Kosovo vorzubereiten und in sein Heimatland Argentinien, vielleicht mit einem Abstecher nach Uruguay, zu reisen. Wenn die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 22. Oktober stattgefunden haben werden, könne die Reise stattfinden. Mit Blick auf seine Besuche in den verschiedenen europäischen Staaten kündigte der Papst an, zuerst die kleineren Länder besuchen zu wollen und erst daraufhin die größeren. "Ich habe mit Albanien angefangen und, auch wenn ich nach Straßburg gereist bin, war ich nicht in Frankreich. Ich werde zwar nach Marseille reisen, aber nicht nach Frankreich." Franziskus reist Ende September in die französische Hafenstadt. Deutschland hat das Kirchenoberhaupt bislang noch nicht besucht.
Der Papst lobte die Arbeit seines Sondergesandten Kardinal Matteo Zuppi, der versucht, zwischen den Konfliktparteien im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu vermitteln. "Den bedeutendsten Fortschritt hat er bei der Rückkehr der ukrainischen Kinder in ihr Land gemacht." Der Vatikan tue alles, damit Familien, die durch den Krieg auseinandergerissen seien, wieder vereint würden. Nach seinem Besuch in den USA werde die nächste Station von Zuppi China sein. "Ich erwäge, einen dauerhaften Repräsentanten zu ernennen, damit er als Brücke zwischen den russischen und ukrainischen Autoritäten fungieren kann", so Franziskus. Im November werde Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin vor dem Weltklimagipfel in Abu Dhabi ein Friedenstreffen mit religiösen Führern organisieren. Außerdem bestätigte der Pontifex, für die Freilassung des in Nicaragua inhaftierten Bischof Rolando Álvarez zu arbeiten. Er habe den brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva gebeten, sich bei Nicaraguas Präsident Daniel Ortega für Álvarez einzusetzen.
"Aber wenn man nur von der Keuschheit spricht, verschreckt man alle"
Ferner kritisierte Franziskus geistliche Gemeinschaften, die zu sehr mit sich selbst beschäftigt seien: "Das ist eine Gefahr für alle." Besonders Gemeinschaften aus der Zeit nach dem II. Vatikanum seien davon betroffen. "Dann besteht Dein ganzes Leben daraus, um das Charisma, die Bewegung zu kreisen und du wirst zu einem Hund, der an sich selbst leckt, um schöner auszusehen", so der Papst. Werde Spiritualität nicht wirklich gelebt, sondern nur wie in einem Spiegel beobachtet und zur Schau gestellt, sei das ein Einfallstor für Ideologie, einen restaurativen Geist und Korruption. Wer diese Entwicklung bei einer Gemeinschaft wahrnehme, solle keine Angst haben, den zuständigen Bischof zu informieren, der eine Visitation anordnen könne.
Auch warnte der Papst davor, sich zu sehr in das Privatleben von Jugendlichen einzumischen. Ein Priester habe ihn während seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires vor einem karitativen Projekt gewarnt, bei dem Jugendliche Obdachlosen Essen brachten. Nach diesen Treffen würden die jungen Gläubigen „ausgehen und gegenseitig miteinander schlafen“, zitierte Franziskus den Geistlichen. "Ich habe ihm darauf gesagt, er solle aufhören, sich in diese Dinge einzumischen. Die Jugendlichen muss man ihr Leben leben lassen." Kontakt zur Kirche und pastorale Treffen könnten bei kirchenfernen jungen Menschen zu einer Annäherung an das Evangelium führen. "Aber wenn man nur von der Keuschheit spricht, verschreckt man alle." Die Seelsorge-Arbeit mit Jugendlichen sei nicht unter Laborbedingungen möglich, so Franziskus. (rom)