Wie unreine Geister den Monotheismus stärkten

Dämonen: Parasiten und Chaosbringer der Bibel

Veröffentlicht am 31.10.2023 um 12:30 Uhr – Von Meike Kohlhoff – Lesedauer: 

Bonn ‐ Beelzebul, Leviatan, Asasel: Diese Dämonen kennen wir heute vor allem aus Horrorfilmen. Sie ergreifen Besitz von ihren Opfern oder riskieren die Zerstörung der geordneten Welt. Diese Vorstellungen finden sich bereits in der Bibel wieder – und dort hatten sie eine ganz bestimmte Funktion.

  • Teilen:

"Du glaubst: Es gibt nur einen Gott. Damit hast du Recht; das glauben auch die Dämonen und sie zittern." (Jakobus 2,19)

Dämonen wandeln umher, suchen nach Menschen, die ihnen durch sündiges Verhalten eine Angriffsfläche bieten, sie einlassen und behausen dann unerbittlich ihren Wirt. Oder sie verführen die Menschen zum Bösen, stiften Chaos und hinterlassen Zerstörung. Die Bibel kennt viele von ihnen namentlich: Asasel, Leviatan, Lilith und Beelzebul – das sind nur ein paar Beispiele. Außerdem gibt es zahlreiche "unreine Geister", die zum größten Teil ohne konkrete Namen auskommen. Sie werden manchmal als Diener Satans beschrieben oder als gefallene Engel, die Gott erzürnt haben und darum zu dessen Gegenspielern wurden. Welche Rolle den schadenden Geistwesen in der biblischen Überlieferung zukommt, hängt meist von der jeweiligen Zeit und ihrer Funktion für den Glauben an den einen Gott ab.

An der Grenze vom Polytheismus zum Monotheismus

Im Denken des hebräischen Alten Testaments gab es Dämonen eigentlich nicht. Aber es gab übernatürliche Wesen, die später Dämonen genannt werden sollten. Die Vorstellung von Wesen, die nicht göttlich sind, aber dennoch übermenschliche Kräfte hegen, entwickelte sich wahrscheinlich an der Grenze vom Polytheismus zum Monotheismus. Der Gedanke, dass es mehrere Götter gibt, und der, dass nur noch einer relevant ist, mussten unter einen Hut gebracht werden. Also stufte man die anderen Götter hinab, erklärte sie für weniger mächtig und böse, so waren sie keine Konkurrenz mehr für den einen, wahren Gott des Volkes Israel.

In der Septuaginta, der antiken griechischen Übersetzung des Alten Testaments, schlugen sich die philosophischen Vorstellungen des Hellenismus und sein Dualismus nieder. Mehr und mehr wuchs der Wunsch, die Welt in klare Gegensätze einzuteilen. Alles wurde nur noch als gut oder böse betrachtet, man unterschied klarer den je zwischen "Gott" und "die Anderen". Man fand nun einen Namen für die sich in Abgrenzung zu Gott konkretisierenden bösen Mächte, nämlich "Dämonen". Im Altgriechischen heißt "daímōn" so etwas wie "Schicksalsbringer".

Der Herr der Fliegen

Einer dieser Dämonen ist Beelzebul. Er kommt bereits im Alten Testament vor und ist dort eine Bezeichnung für einen heidnischen Gott und Dämon (2. Könige 1,2). Schon am Namen erkennt man die erfolgte Abwertung des Geistwesens: Wörtlich kann man Beelzebul als "Herr der Fliegen" übersetzen. Gott bestraft jemanden, der an diesen Gott statt an ihn glaubt: "Du hast Boten ausgesandt, um Beelzebul, den Gott von Ekron, zu befragen, als gäbe es in Israel keinen Gott, dessen Wort man einholen könnte. Darum wirst du von dem Lager, auf das du dich gelegt hast, nicht mehr aufstehen; denn du musst sterben." (2. Könige 1,16) Im Neuen Testament wird Beelzebul sogar zum Herrscher unter den Dämonen (Markus 3,22).

Auch Reschef war ein Gott, der ursprünglich mit positiven Attributen in Verbindung gebracht wurde. In der Bibel wird er dann als "Seuche" bezeichnet und gilt als Krankheitsbringer (Psalm 78,48). Asmodäus gilt als Dämon des Zornes und auch er könnte vom Namen eines Gottes (Śmdj) abgeleitet sein. In der Bibel tritt er prominent auf, als er Saras Ehe verhindert (Tobit 3,8).

Bild: ©stock.adobe.com/AstralAngel

Der Dämon Leviatan hat die Gestalt eines Meerungeheuers.

Dämonen werden in der Bibel sowohl im Alten als auch im Neuen Testament oft mit dem Chaos in Verbindung gebracht. Das Chaos bildet als Zustand der Verwirrung den negativen Gegenpol zur göttlichen Ordnung des Kosmos. In der biblischen Überlieferung werden viele Wüstendämonen genannt, denn die Wüste war für die Menschen schwer zu kontrollieren und ein Gegenbild zur Schöpfung Gottes. Asasel ist einer dieser Wüstendämonen, Vorbild könnte ein ägyptischer Gott gewesen sein. Seine Rolle ist nicht ganz klar, im Judentum wird er in Verbindung mit dem Sündenbock der Israeliten (Levitikus 16,8) gebracht, in den Apokryphen wird er auch als gefallener Engel dargestellt.

Gefallene Engel

Die gefallenen Engel sind eine besondere Kategorie innerhalb der Dämonen, wobei sie manchmal auch gar nicht als Dämonen betrachtet werden. Sie sind Engel, die sich von Gott abgewandt haben. In der Vorstellung des "Höllensturzes" wurden sie sogar von Gott verbannt. Auch der Teufel wird oft als gefallener Engel bezeichnet. Es gibt aber auch die Theorie, dass sich die Vorstellung von einem Teufel aus dem Dämon Beelzebul entwickelt haben könnte. Der Teufel tritt erst später als die Dämonen in Erscheinung. Erst, als die anderen Götter nicht mehr als so bedrohlich für den einen Gott Israels angesehen wurden, war Platz für einen wirklichen Gegenspieler Gottes. Dämonen werden dann oft als seine Diener betrachtet. Doch der Teufel ist kein ebenbürtiger Gegner Gottes, sondern Teil seiner Schöpfung. Deshalb besiegt ihn Gott letztendlich (Offenbarung 12,9). Lilith als einzige explizit weibliche Dämonin der Bibel war zwar kein Engel, fällt aber auch unter die Geschichten der Abtrünnigen. Sie sollte laut dem Werk "Alphabet" des mittelalterlichen jüdischen Gelehrten Ben Sirach zunächst Adams Frau werden, weigerte sich aber und wurde von Gott aus dem Paradies verbannt und zur Dämonin gewandelt.

Dämonen verdeutlichen die Macht Gottes

In Form der gefallenen Engel sieht man eine weitere Funktion der Dämonen. Sie verdeutlichen die Macht Gottes. Das wird vor allem bei Leviatan deutlich. Er ist, ähnlich wie Lilith, ein Dämon, der von Gott selbst geschaffen wurde. "Dort ziehen die Schiffe dahin, der Leviatan, den du geformt, um mit ihm zu spielen." (Psalm 104,26) Er ist eine Art Seeungeheuer, das Gott selbst aber wieder vernichtet. Gott ist so stark, dass er ein solches Monster schaffen und wieder töten kann. Es bleibt also gänzlich unter seiner Kontrolle. "Du hast die Köpfe des Leviatan zermalmt, ihn zum Fraß gegeben den Ungeheuern der See." (Psalm 74,14)

Die Heilung des Besessenen von Gerasa

Dämonen treten in der Bibel häufig ohne Wirt oder in einem eigenen Körper auf, es gibt aber auch Erzählungen über die Schicksale der von ihnen Besessenen. Eine bekannte Geschichte über Dämonen des Neuen Testaments ist die Heilung des Besessenen von Gerasa. Die Beschreibung des Besessenen ist eine, die auch heute noch als Inspiration für diverse Horrorfilme genutzt wird, wenn dort Besessene gezeigt werden: "Er hauste in den Grabstätten. Nicht einmal mit einer Kette konnte man ihn bändigen." (Markus 5,1) Jesus spricht mit den Dämonen, die von dem Mann Besitz ergriffen haben. Er demonstriert seine Macht als Sohn Gottes über die Schöpfung und schickt die Geister in Schweine, die in der Nähe grasen: "Darauf verließen die unreinen Geister den Menschen und fuhren in die Schweine und die Herde stürmte den Abhang hinab in den See. Es waren etwa zweitausend Tiere und alle ertranken." (Markus 5,13) Die Vorstellung, dass Menschen von Dämonen besessen und befreit werden können, existiert bis heute. Exorzisten sind in der katholischen Kirche Priester, die böse Geister austreiben sollen. Diese Praxis wird auch als Befreiungsdienst bezeichnet. In der gesellschaftlichen Öffentlichkeit wird der Ritus des Großen Exorzismus mehrheitlich negativ betrachtet, da davon ausgegangen wird, dass häufig andere Probleme, wie psychische Krankheiten, der vermeintlichen Besessenheit zugrunde liegen und nicht ordnungsgemäß behandelt werden. Während "Exorzismen" von freikirchlichen Pastoren immer wieder für Schlagzeilen sorgen, gelten für den Befreiungsdienst in der katholischen Kirche strenge Regeln. So muss sich vor einem Großen Exorzismus die besessene Person zur Behanldung zu einem Arzt begeben haben. Erst wenn dieser keine medizinischen oder psychologischen Gründe für die Besessenheit feststellen konnte, darf der Exorzist seinen Dienst verrichten.

Nach biblischer Darstellung kann Jesus Menschen von Dämonen befreien, weil er göttliche Vollmacht besitzt. Denn Gott kann die Geistwesen besiegen und sogar selbst erschaffen. Die Dämonen bringen Chaos, während Gott für Ordnung sorgt. Das veranschaulicht die Überlegenheit des einen Gottes gegenüber allen anderen Mächten. So sind Dämonen nicht nur gruselige Nebencharaktere der Bibel oder schaurige Gestalten in Filmen wie "Der Exorzist", sondern bis heute Teil der Geschichte des christlichen Glaubens.

Von Meike Kohlhoff