Du Kleingläubiger! Petrus als Stellvertreter aller Christen
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In der letzten Woche haben wir am Sonntag das Fest Verklärung des Herrn gefeiert. Ein Fest, dass die Offenbarung Jesu als den Christus, als den Sohn Gottes, feiert. Die Jünger Petrus, Jakobus und Johannes werden Zeugen dieses Ereignisses und sehen Jesus verklärt als den nachösterlichen Christus.
Auch in der heutigen Perikope wird eine Offenbarung Jesu als Sohn Gottes erzählt: Jesus schickt die Jünger nach der Speisung der 5000 allein mit dem Boot auf den See Genezareth, sie fahren schon vor, während sich Jesus endlich allein zum Beten zurückziehen kann. Er betet dort bis in die frühen Morgenstunden. Seine Jünger, allein im Boot, geraten in Seenot. In diese prekäre Situation hinein erzählt Matthäus das eigentliche Offenbarungsereignis. Jesus geht über das Wasser und zeigt damit, dass er Macht über die Urgewalten des Wassers besitzt, die Gott vorbehalten ist und an den Auszug durch das Schilfmeer erinnert. Die Reaktion der Jünger im Boot gleicht den Reaktionen der Jünger, denen Jesus nach Ostern erschienen war, sie fürchten sich. Die Jünger im Boot halten Jesus für ein Gespenst, erkennen ihn nicht und fürchten sich. Erst nach der Selbstvorstellung Jesu mit "Ich bin es" und der Anrede "Fürchtet Euch nicht", tritt Petrus stellvertretend für die Jünger in einen Dialog mit Jesus. Sowohl Anrede als auch Selbstvorstellung erinnern ebenfalls an die Erzählungen der nachösterlichen Erscheinungen Jesu.
Die Besonderheit der Erzählung dieser Offenbarung des Evangelisten Matthäus ist der Einschub des versuchten Gangs des Petrus über das Wasser. Von Jesus als "Kleingläubiger" angesprochen, steht Petrus mit seiner Erfahrung von großem Mut, riesigem Glauben und unbändigem Vertrauen, als er das Wasser auf Jesu Wort hin betritt, und seiner Erfahrung von plötzlicher Angst, Unglauben und Zweifeln, als er im Wasser zu versinken beginnt, stellvertretend für die Jünger und Jüngerinnen aller Zeiten. Die Ambivalenzen des alltäglichen Glaubens werden von Matthäus erzählerisch in eine klassische Offenbarungserzählung mit hineingenommen. Jesus offenbart sich damit nicht nur als der Sohn Gottes, der Vollmacht über alle Urgewalten dieser Welt hat, nicht nur als der Christus, der sterben und auferstehen wird, sondern auch als der Sohn Gottes, der seine Jünger und Jüngerinnen zu scheinbar Unmöglichem ermutigt und befähigt, aber eben auch seine Hand rettend ausstreckt, wenn seine Jünger und Jüngerinnen in den Fluten der Angst und des Zweifels zu ertrinken drohen.
Die Erzählung endet wie viele klassischen Offenbarungserzählungen mit einem Bekenntnis der Jünger, die im Boot niederfallen und bekennen "Wahrhaftig, Gottes Sohn bist du". Sie haben, wie Matthäus später in zugespitzter Form für Petrus, Jakobus und Johannes auf dem Tabor erzählen wird, Jesus für kurze Zeit als den erfahren und erkannt, der er ist: Christus, der Sohn Gottes, der unter den Menschen Lebende, Gekreuzigte und Auferstandene, der in den Ambivalenzen des Alltages bei seinen kleingläubigen Jüngern und Jüngerinnen ist, damals wie heute.
Aus dem Evangelium nach Matthäus (Mt 14,22–33)
Nachdem Jesus die Menge gespeist hatte, drängte er die Jünger, ins Boot zu steigen und an das andere Ufer vorauszufahren.
In der vierten Nachtwache kam er zu ihnen; er ging auf dem See. Als ihn die Jünger über den See kommen sahen, erschraken sie, weil sie meinten, es sei ein Gespenst, und sie schrien vor Angst. Doch sogleich sprach Jesus zu ihnen und sagte: Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht!
Petrus erwiderte ihm und sagte: Herr, wenn du es bist, so befiehl, dass ich auf dem Wasser zu dir komme! Jesus sagte: Komm! Da stieg Petrus aus dem Boot und kam über das Wasser zu Jesus. Als er aber den heftigen Wind bemerkte, bekam er Angst. Und als er begann unterzugehen, schrie er: Herr, rette mich!
Jesus streckte sofort die Hand aus, ergriff ihn und sagte zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? Und als sie ins Boot gestiegen waren, legte sich der Wind. Die Jünger im Boot aber fielen vor Jesus nieder und sagten: Wahrhaftig, Gottes Sohn bist du.
Die Autorin
Schwester Jakoba Zöll ist Olper Franziskanerin. Sie arbeitet an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte und schreibt an Ihrer Promotion.