Debatte über mögliche Abgabe gegen "Overtourism"

Gibt es bald eine Touristensteuer für Pilger in Santiago?

Veröffentlicht am 13.08.2023 um 12:23 Uhr – Von Andreas Drouve (KNA) – Lesedauer: 
Santiago de Compostela ist der bedeutendste Wallfahrtsort Spaniens und eines der beliebtesten Ziele für Pilger aus aller Welt.
Bild: © KNA

Santiago de Compostela ‐ Im spanischen Santiago de Compostela, Ziel des Jakobswegs, müssen Besucher in Zukunft wohl tiefer in die Tasche greifen. Zur Diskussion steht eine Abgabe für Übernachtungsgäste. Doch manche fragen: Warum nur für diese?

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"Santiago de Compostela ist zu einem Phänomen der Massen geworden", bringt Francisco Esteban Palomo die Entwicklung auf den Punkt. Palomo ist Fremdenführer und kennt die neuesten Zahlen: "Wir sind nur 100.000 Einwohner, aber pro Jahr kommen mittlerweile sechs Millionen Besucher." Die Stadt ächzt unter dem Overtourism.

Nun hat die Stadtregierung eine Debatte darüber angestoßen, Gäste stärker an den allgemeinen Kosten zu beteiligen: durch die Einführung einer Touristensteuer, wie sie Reisende in Spanien bereits auf Mallorca und in Barcelona entrichten müssen. In Santiago de Compostela beträfe das auch die Vielzahl der Jakobspilger. "Es handelt sich um eine der ersten Maßnahmen, die das Rathaus von Santiago plant, um die Massenbewegung einzudämmen und den Qualitätstourismus anzukurbeln", hieß es beim spanischen Nachrichtensender Antena 3.

Nur für Übernachtungsgäste?

Die Höhe der geplanten Abgabe richtet sich nach der Kategorie der Unterkunft: Wer sich in einem Sterne-Hotel bettet, zahlt mehr als in einer Pension oder Pilgerherberge. Doch genau hier scheiden sich die Geister, denn die Touristensteuer soll nur für jene gelten, die in Santiago de Compostela übernachten. Das empfindet Carlos Regueiro vom Vorstand des örtlichen Hotel- und Gaststättenverbands, der "Asociacion Hosteleria Compostela", der 600 Mitglieder angehören, als ungerecht: "Über Tag kommen viele Ausflügler, die hier nicht übernachten und nichts zahlen, aber alles in der Stadt nutzen. Gerade für die sollte man eine Abgabe einführen."

Zu den Ankömmlingen über Tag zählen auch Kreuzfahrttouristen, die von den Atlantikhäfen zu organisierten Landausflügen starten. Wie man von diesen in der Praxis eine Abgabe kassieren könnte, ist Regueiro allerdings schleierhaft. "Für Santiago de Compostela sehe ich für die Einführung einer Touristensteuer keine Notwendigkeit, das ist der allgemeine Tenor unter den Hoteliers", sagt der Unternehmer, der selbst Hotelbesitzer ist. Im Raum stehen 2,50 Euro pro Nacht und Person in einem höherklassigen Haus, 1,50 Euro in einem Appartement, 50 Cent für Camping- und Pilgerherbergsgäste. Reisende bis 18 Jahre sollen nichts zahlen, die Steuern auf sechs Nächte begrenzt sein – wobei selbst der gläubigste Jakobspilger ohnehin nicht länger in der Stadt bleiben dürfte.

Bild: ©picture alliance/Photoshot/Fabio Mazzarella

Die Schlange der Besucher, die die Statue des heiligen Jakobus umarmen wollen, ist oft bis zu 700 Meter lang.

Insgesamt geht es um einen stattlichen Millionenbetrag, der in die Kassen gespült würde. Für Regueiro stellt sich die Frage, wohin die Einnahmen letztlich flössen und ob sie wirklich dem Tourismussektor zugutekämen, wie die Befürworter der Steuer argumentieren. Geht es wirklich um ein Plus an Sauberkeit und Sicherheit, die Pflege des Kulturerbes – oder will man aus dem Massentourismus nur zusätzliches Kapital schlagen?

Das jüngste Beispiel der Überflutung mit Gästemassen zeigt sich seit Mitte des Jahres durch die Wiedereröffnung des Zugangs zur Figur des Jakobus im Hochaltar der Kathedrale. Dort schlingt man die Arme traditionell um die Skulptur. "Abrazo del Apostol" ("Umarmung des Apostels") heißt der Ritus auf Spanisch, der in Corona-Zeiten nicht möglich war. Guide Palomo sieht bei seinen täglichen Führungen eine Warteschlange, die sich bis zu 700 Meter durch die Gassen der Altstadt windet. Pilger sind ebenso vertreten wie gewöhnliche Besucher.

Doch wo ließe sich hier der Bogen zu einer Stärkung des genannten Qualitätstourismus spannen? Eine Abgabe dürfte die Schlange nicht verkürzen, aber die Arbeitszeiten des Personals in den Unterkünften durch den bürokratischen Aufwand verlängern. Das könnte zu weiteren Preissteigerungen führen. "Die Steuer wird niemanden davon abhalten, hierhin zu reisen", ist Hotelier Regueiro überzeugt. Die finale Entscheidung und ein Zeitpunkt für die mögliche Einführung der Abgabe sind bislang nicht bekannt.

Von Andreas Drouve (KNA)