Julianischer Kalender nicht mehr als Ausdruck der Identität erforderlich

Ukrainischer Großerzbischof sieht Kalenderreform als Zeichen der Zeit

Veröffentlicht am 16.08.2023 um 12:21 Uhr – Lesedauer: 

Kiew ‐ Bald beginnt in den Ostkirchen das neue Kirchenjahr. In der Ukraine feiern immer mehr Kirchen ihre festen Feiertage ab dann mit den lateinischen Christen. Für Großerzbischof Schewtschuk ist die Reform weit mehr als nur eine Verschiebung um 13 Tage.

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Der ukrainisch-katholische Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk sieht in der anstehenden Einführung des gregorianischen Kalenders für die feststehenden Feste im Kirchenjahr einen Ausdruck für die Einheit der Kirche. Die Änderung sei eine Antwort auf die Zeichen der Zeit und solle nicht nur eine mechanische Verschiebung der Termine um 13 Tage sein, schrieb der Großerzbischof am Montag in einem Hirtenbrief. Der Ostertermin und die darauf Bezug nehmenden Feiertagstermine werden weiterhin nach dem julianischen Kalender gefeiert. Die Kirche erwarte aber, dass alle christlichen Kirchen bald eine "gemeinsame, modernisierte Art der Bestimmung" des Osterdatums einführen werden. Die Änderung wurde Anfang des Jahres von der Synode der großerzbischöflichen Kirche beschlossen.

Die Veränderung werde es ermöglichen, die meisten Feste des liturgischen Jahres gemeinsam mit der westlichen Kirche und den orthodoxen Kirchen der Welt zu feiern, die dem gregorianischen Kalender folgen, heißt es im Hirtenbrief. "Und dank der vorübergehenden Beibehaltung des alten Osterkalenders, zumindest für unsere Bedürfnisse in der Ukraine, werden wir weiterhin in der Lage sein, das Heilige Pascha und die damit verbundenen liturgischen Rhythmen gleichzeitig mit unseren orthodoxen Brüdern zu erleben", so der Großerzbischof weiter. Die Änderung sei lange überfällig gewesen. Die ukrainisch-katholische Kirche habe die gregorianische Kalenderreform in der Vergangenheit nicht übernommen, um ihre Identität zu schützen. "Es ist offensichtlich geworden, dass der julianische Kalender seine Rolle als Ausdruck unserer Identität und als Schutz vor Assimilierung verloren hat und stattdessen ein Hindernis und ein Problem in diesem Bereich darstellt", so der Großerzbischof. Um die Identität des Kiewer Christentums in der modernen Welt, seine theologischen und liturgischen, spirituellen und kanonischen Traditionen zu bewahren, brauche die Kirche eine "echte und umfassende Erneuerung und Wiederbelebung, nicht Nachahmung und Stagnation". Der Kalender sei nie Teil der wahren kirchlichen Tradition oder der christlichen Identität gewesen, sondern immer ein Element des menschlichen und sich verändernden Gewohnheitsrechts.

Ukrainische Orthodoxie führt mehrheitlich neujulianischen Kalender ein

Im Mai hatte die Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) angekündigt, ebenfalls zum 1. September für die festen Feiertage den neujulianischen Kalender einzuführen, der bis zum Jahr 2800 keine Abweichungen vom gregorianischen Kalender hat. Mit der Kalenderreform distanzierte sich die vom Patriarchat von Konstantinopel als autokephal anerkannte OKU von der bis 2022 zum Moskauer Patriarchat gehörenden Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK). Anders als Schewtschuk ging das Oberhaupt der OKU, Metropolit Epiphanius, in seiner Botschaft zur Kalenderreform auf den russischen Angriffskrieg ein.  "Der Wunsch, unsere ukrainische geistige Identität zu bewahren und zu bekräftigen und uns vor der Aggression der 'russischen Welt' zu schützen, erfordert daher eine dringende Entscheidung: Wir müssen uns der Mehrheit der orthodoxen Landeskirchen anschließen und den neujulianischen Kalender einführen", so Epiphanius. Schon 2017 machte das ukrainische Parlament den 25. Dezember zum staatlichen Feiertag neben dem orthodoxen Weihnachtsfest am 7. Januar.

Die Apostolische Exarchie für katholische Ukrainer in Deutschland teilte im April mit, dass sie künftig alle Feste nach dem gregorianischen Kalender feiern werde, auch Ostern. Die ukrainisch-katholische Kirche ist die größte der mit Rom in Gemeinschaft stehenden katholischen Ostkirchen. Ihr gehören über vier Millionen Gläubige vor allem in der Ukraine an. Etwa 6 Prozent der Ukrainer bekennen sich zu ihr, fast die Hälfte der Bevölkerung gehört der OKU an, gut 13 Prozent der UOK. Ein gemeinsamer Ostertermin der lateinischen und der Ostkirchen scheint wahrscheinlicher zu werden: Im vergangenen Jahr sagte der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, das Ehrenoberhaupt der Orthodoxie, dass es mit Blick auf das Jubiläum des Konzils von Nizäa (325) im Jahr 2025 aussichtsreiche Gespräche zwischen Vertretern der katholischen und der orthodoxen Kirchen gebe. (fxn)