Lange Aussprache über missverständliche Äußerungen

Unverblümte Klagen ukrainischer Bischöfe beim Papst

Veröffentlicht am 06.09.2023 um 16:44 Uhr – Von Ludwig Ring-Eifel (KNA) – Lesedauer: 

Vatikanstadt/Rom ‐ Zwei Stunden lang haben rund 50 Bischöfe aus der Ukraine am Mittwoch in Rom mit dem Papst gesprochen. Ein Thema waren Franziskus' missverständlichen Worte über Russland. Spannungen sind geblieben.

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Es kommt nicht oft vor, dass nach einer Begegnung des Papstes mit seinen Gästen zwei verschiedene Kommuniques veröffentlicht werden. Doch nach dem fast zweistündigen Treffen von Franziskus mit den Bischöfen der griechisch-katholischen Ukrainer am Mittwoch war es so weit: Erst veröffentlichte die ukrainische Seite ein langes Statement, das an einigen Stellen aufhorchen ließ. Später kam die Mitteilung des Vatikans.

Von einer "gewissen Enttäuschung" über Äußerungen des Papstes war in der ukrainischen Erklärung die Rede. Die Bischöfe hätten davon gesprochen, dass manche Worte und Gesten des Papstes im Kontext des russisch-ukrainischen Kriegs schmerzhaft und schwierig für das ukrainische Volk seien. Ferner hieß es, der Papst habe erneut über seine Äußerungen zu Russland gesprochen.

Diese hatten in den vergangenen Wochen zu einem politischen Eklat zwischen Kiew und dem Vatikan geführt; denn Franziskus hatte in einer Videokonferenz junge russische Katholiken ermutigt, das Erbe des "großen Russland" zu bewahren. In diesem Kontext hatte er auch die Herrscher Peter den Großen und Katharina die Große genannt, die zu ihrer Zeit nicht nur europäische Ideen nach Russland brachten, sondern sich auch durch besonders erfolgreiche kriegerische Expansion des russischen Reiches einen Platz in den Geschichtsbüchern sicherten.

Künftig mehr auf Wortwahl achten

Dass der Papst – offenbar ahnungslos – mit seinem Zarenlob der von Putin propagierten Großrussland-Ideologie in die Karten spielte, hielten ihm die ukrainischen Bischöfe nun ungeschminkt vor. Und baten ihn indirekt, künftig mehr auf seine Wortwahl zu achten, denn die ukrainischen Gläubigen seien sehr sensibel für das, was er sage.

Franziskus hat seit seinem historischen Treffen mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill 2016 immer wieder Unmut ukrainischer Patrioten provoziert. Damals hatte er, noch zu Zeiten des hybriden russischen Kriegs im Donbass, vom "Bruderkrieg" in der Ukraine gesprochen und damit jene russische Sichtweise übernommen, die der Ukraine ihre Eigenstaatlichkeit und Identität als Nation abspricht.

Bild: ©KNA/Paul Haring/CNS photo

Papst Franziskus und Patriarch Kyrill I. im Jahr 2016.

Und auch während des seit Februar 2022 andauernden russischen Angriffskriegs gegen das kleinere Nachbarland hatte er wiederholt Formulierungen und Gesten gebraucht, die in der Ukraine nicht gut ankamen und zu diplomatischen Protesten führten. Von gemeinsamen Auftritten ukrainischer und russischer Teilnehmer beim Kreuzweg in Rom bis hin zum Zarenlob in Richtung Sankt Petersburg – die Provokationen blieben. Mehr als einmal horchten selbst papsttreue Ukrainer ungläubig auf, was ihr Oberhaupt da in Rom von sich gab.

Für die in der Region um Lwiw (Lemberg) verwurzelte ukrainische griechisch-katholische Kirche war dies besonders bitter. Sie gilt mit ihren etwa fünf Millionen Mitgliedern weltweit in der konfessionellen Landschaft der Ukraine seit jeher als die am stärksten Richtung Westen, für eine unabhängige ukrainische Nation und gegen Russland orientierte Kirche. Der Versuch des Diktators Stalin, diese Kirche komplett auszuradieren und sie mit der russischen Orthodoxie zwangsweise zu vereinigen, hat sie früh in dieser Sichtweise gestärkt.

Mit unvergesslichen Massengottesdiensten und Predigten in Lwiw und Kiew legte dann der aus Polen stammende Papst Johannes Paul II. 2001 die ideelle Grundlage für das, was in den Maidan-Aufständen 2014 zur endgültigen Hinwendung des Landes nach Westen führte – und was dann wiederum Moskau mit seiner schrittweisen Eroberung der Ostukraine und später der Krim beantwortete.

Deutliche Ansagen

Dass sich zwei Jahrzehnte später ausgerechnet der Papst in Rom nicht klar auf die Seite der Ukraine in ihrem Verteidigungskrieg gegen Moskau schlagen würde, war für die griechisch-katholische Kirche der Ukraine kaum vorstellbar. Entsprechend deutlich waren (wenn man dem Kommunique vom Mittwoch folgt) die Ansagen der Bischöfe an die Adresse des Oberhaupts.

Mit Bedacht hatte der griechisch-katholische Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk in diesem Herbst Rom als Tagungsort der Synode ausgewählt. Er wollte damit die Zugehörigkeit zur katholischen Weltkirche unterstreichen.

Bei der Begegnung mit Franziskus wurde zudem die seit Jahrzehnten bestehende persönliche Bindung zwischen dem Großerzbischof und dem Papst betont. Franziskus brachte eine Muttergottes-Ikone zu dem Treffen mit. Die hatte ihm der junge Bischof Schewtschuk vor vielen Jahren geschenkt, als Jorge Mario Bergoglio noch Erzbischof in Buenos Aires war. Er bete jeden Tag vor dieser Ikone für die Ukraine, so der Papst.

Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)