Zeitung: Vatikan will Staatskrise in Andorra abwenden
Der Vatikan bemüht sich offenbar aktiv darum, eine drohende Staatskrise in Andorra wegen des Streits um das dortige Abtreibungsverbot zu vermeiden. Wie die römische Tageszeitung "Il Messaggero" (Donnerstag) berichtete, hat Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin in der vergangenen Woche bei einem Besuch in dem Kleinstaat mit Regierungschef Xavier Espot über eine mögliche Beilegung der Krise gesprochen.
Sie war dem Bericht zufolge ausgelöst worden, weil das Ko-Staatsoberhaupt von Andorra, der spanische Bischof Joan-Enric Vives (74), seinen Rücktritt androhte, falls in Andorra das Abtreibungsverbot gelockert würde. Ein entsprechendes Gesetz könnte das Parlament von Andorra, der "Consell General de les Valls", beschließen.
Einziges Land in Europa, in dem Bischof Staatsoberhaupt ist
In der Sache geht es darum, dass bislang in Andorra Abtreibungen in allen Fällen unter Strafe stehen, während sie in den großen Nachbarländern Spanien und Frankreich in den meisten Fällen erlaubt sind. Das knapp 80.000 Einwohner zählende Fürstentum hat zwei Staatsoberhäupter: Der eine ist der französische Staatspräsident, der andere ist der Bischof von Urgell. Das Ko-Fürstentum existiert seit dem 13. Jahrhundert. Neben dem Vatikanstaat ist Andorra das einzige Land in Europa, in dem ein Bischof Staatsoberhaupt ist.
Frauenrechtlerinnen in Andorra und in den Nachbarländern haben in den vergangenen Jahren wiederholt dagegen protestiert, dass in Andorra Abtreibung mit Gefängnisstrafe geahndet wird. Abtreibungswillige Frauen reisen bisher nach Frankreich oder Spanien, um dort den Abbruch vornehmen zu lassen. In der nordspanischen Region Katalonien werben Abtreibungskliniken im Internet damit, dass sie ihre Dienste auch für Frauen aus Andorra anbieten.
Laut spanischen Medienberichten wollen derzeit weder der Heilige Stuhl noch die Regierung Andorras die Verfassungsgrundlagen des einmaligen Staats-Gebildes verändern. Auch die Schaffung eines eigenen Bistums Andorra (nach dem Vorbild von Liechtenstein und Monaco) stehe nicht zur Debatte. (KNA)