Er könne sich das nur mit "einer kräftigen Wegbegleitung von oben erklären"

Heße: Habe noch kein größeres Wunder als Deutsche Einheit erlebt

Veröffentlicht am 03.10.2023 um 11:14 Uhr – Lesedauer: 

Hamburg ‐ Die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit finden in diesem Jahr in Hamburg statt. Im Gottesdienst mahnte Erzbischof Heße eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik an. In einem Interview erklärte er, was er selbst mit der Einheit verbindet.

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Die Deutsche Einheit ist aus Sicht des Hamburger Erzbischofs Stefan Heße "eines der größten Wunder in der Geschichte unseres Landes". Er selbst habe jedenfalls noch kein größeres Wunder erlebt, sagte Heße dem kirchlichen Kölner Internetportal domradio.de (Dienstag). "Man hatte die Hoffnung doch schon fast aufgegeben, und dann kam es doch noch zur Wiedervereinigung."

Er finde das überwältigend und denke, "dass es nicht nur auf die Menschen zurückzuführen ist, die vor allem im Osten durch ihre friedliche Demonstration Großartiges geleistet haben", betonte Heße. "Aber ich kann mir das Ganze nur mit einer kräftigen Wegbegleitung von oben erklären. Deswegen finde ich es gut, dass wir den Horizont aufreißen, an dem Festtag auch an Gott denken und ihm für diese große Stunde in unserem Land danken."

Heße feierte am Vormittag des Einheitstages mit der evangelischen Bischöfin Kirsten Fehrs einen Ökumenischen Gottesdienst in Hamburg. Dort waren am Montag die zentralen Feierlichkeiten gestartet, da Hamburg in diesem Jahr den Vorsitz im Bundesrat inne hat. Heße erinnerte daran, dass zu seinem Erzbistum die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein sowie Mecklenburg, das früher in der DDR lag, gehören. In dem erst 1995 gegründeten Erzbistum sei es so: "Wir ruckeln uns hier noch zusammen, und wir sind auf dem Weg zu einer größeren Einheit untereinander."

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In dem Gottesdienst mahnte Heße eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik an. "Wir brauchen dringend eine Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems, einen besseren Flüchtlingsschutz und eine faire Verantwortungsteilung zwischen allen EU-Mitgliedsstaaten", mahnte der Erzbischof, der auch Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen der Deutschen Bischofskonferenz ist. Er verwies auf die überfüllten Flüchtlingscamps in Italien, Griechenland und der Türkei. Allein im September seien an machen Tagen rund 5.000 Menschen auf Lampedusa angekommen. Hinter diesen Zahlen stünden Menschen, "deren Würde genauso unantastbar ist wie die unsere und eines jeden Menschen". Die Geflüchteten sorgten sich um ihre Gesundheit, Ernährung, Bildung und Sicherheit; einige litten unter traumatischen Fluchterfahrungen.

Manche Menschen in Europa empfänden aktuelle Entwicklungen als bedrohlich, so der Erzbischof. Gegen solche Ängste gelte es, die Hoffnung groß zu machen und positiv nach vorn zu schauen. Optimistisch stimmten ihn die vielen Menschen, die sich für andere einsetzten. In Hamburg sei es ein Drittel der Bevölkerung; deutschlandweit engagierten sich 29 Millionen Menschen – Tendenz steigend.

"Wie ein riesiger Tanker mit Weltverantwortung"

Die evangelische Bischöfin Fehrs rief zur Zuversicht auf: "Lasst uns zusammenhalten, was derzeit in Politik und Gesellschaft so auseinanderdriftet. Das ist Aufgabe von uns allen – ob religiös oder nicht religiös", betonte sie beim Ökumenischen Gottesdienst. "Wie ein riesiger Tanker mit Weltverantwortung – so kommt mir Deutschland oft vor. Mit unzähligen Rädern, die gedreht werden müssen", sagte Fehrs laut Redemanuskript. Das sei nicht leicht. "Über die Jahre der Pandemie sind so viele dünnhäutig geworden, ungeduldig, ja bei aller berechtigten Kritik unglaublich ungnädig und abwertend."

Zudem verstöre ein Krieg in Europa nachhaltig friedliebende Demokratien. "Das Klima ringt nach Luft, die Jungen protestieren, die Einheit trägt bisweilen Trauer." Nur gemeinsam "bringen wir den Tanker durch das Meer der Zeiten", so die Bischöfin. Notwendig sei ein Vertrauen in die guten Kräfte und Absichten der anderen. (cbr/KNA)