Nach Leicester, mein Bester
Tatsächlich schlug sich der letzte englische König aus dem Haus Plantagenet sehr wacker, bis ihn die Axt eines Gegners niederstreckte. Je nach Sichtweise war das aber noch gar nicht das Schlimmste.
Denn um Richards III. Herrschaftsanspruch posthum abzuwerten und den strittigen eigenen zu untermauern, ließ Heinrich Tudor, der noch auf dem Schlachtfeld als Heinrich VII. zum König ausgerufen wurde, den nackten und entstellten Leichnam seines verhassten Vorgängers tagelang öffentlich zur Schau stellen. Richard war der erste englische König seit 1066, der im Kampf um seine Krone fiel - und der bislang letzte überhaupt. Am Ende wurde er in der Kirche der Greyfriars, also der Franziskaner, ohne königliche Würden beigesetzt.
Dass dies nun 530 Jahre später in der anglikanischen Kathedrale im nahe gelegenen Leicester nachgeholt werden kann, verdankt Richard III. der Drehbuchautorin Philippa Langley. Im Stile eines Heinrich Schliemann hatte sie sich in den Kopf gesetzt, die verlorenen sterblichen Überreste des Königs wiederzuentdecken. Auf "eins zu eine Million" bezifferte dafür ein britischer Archäologe die Chancen. Doch Langley hatte Erfolg. Anhand historischer Karten startete sie 2012 eine Grabung auf einem Parkplatz - und schon nach wenigen Tagen waren Kirche und König - fortan auch despektierlich als "Parkplatzkönig" bezeichnet - ausgemacht.
Beisetzung nach mittelalterlichem Ritus
Es ist ein hübsches Detail der britischen Geschichte, dass der mit Holz umkleidete Zinksarg, in dem der König am vergangenen Sonntag in einer Trauerprozession nach Leicester überführt wurde, von einem kanadischen Schreiner angefertigt wurde. Nicht irgendeinem kanadischen Schreiner natürlich, sondern jenem Nachfahren von Richards Schwester, mit dessen Hilfe der DNA-Test zur einwandfreien Identifizierung des Königs gelang.
Die Beisetzung am Donnerstag findet nach mittelalterlichem Ritus statt, wie der deutsche Domkapitular von Leicester Johannes Arens berichtet. Richard III. starb als Katholik. Darum und auch wegen seiner umstrittenen Rolle in der englischen Geschichte gab es nicht wenig Zank um die Beisetzung in der anglikanischen Kathedrale. Immerhin: Steine der zerstörten Franziskanerkirche wurden 1538 zur Reparatur der späteren anglikanischen Bischofskirche verwendet. Auch die Gestaltung des Grabmals - historisierend oder klassisch, schlicht oder teuer - sorgte im Vorfeld für Missstimmungen.
Erzbischof von Canterbury wird Überreste segnen
Am Ende geht es nun aber vor allem darum, einer bedeutenden Persönlichkeit der Geschichte ein Stück ihrer Ehre zurückzugeben. Vertreter von Politik, Kirchen und Gesellschaft in England haben sich in den vergangenen Tagen an diversen Gedenkveranstaltungen beteiligt. Zehntausende Engländer säumten die Straßen, um einen Blick auf den Leichenzug werfen zu können. Medienberichten zufolge gab es 14.000 Bewerbungen für die nur rund 700 Plätze in der Kathedrale.
Die Queen, seit 62 Jahren legitim auf dem englischen Thron, wird am Donnerstag ebenso wenig anwesend sein wie Premierminister David Cameron. Denn es handelt sich - bei allem Aufwand - nicht um ein Staatsbegräbnis. Sie werden aber Delegaten schicken, wenn der anglikanische Primas, Erzbischof Justin Welby von Canterbury, Richards sterbliche Überreste segnet.
Bereits am Montagabend feierte der katholische Erzbischof von Westminster, Kardinal Vincent Nichols, ein Requiem in der Dominikanerkirche Holy Cross in Leicester. In seiner viel beachteten Predigt rückte er die Negativ-Stereotypen über Richard III. zurecht. Sein Ruf als Bösewicht sei durch die historischen Darstellungen für immer geschwärzt. Das zeitgenössische Urteil über historische Figuren sei aber oft "unbeständig", erinnerte Nichols: "Heilige werden Sünder, und Sünder werden zu Heiligen stilisiert." Und die letzte Ehre kann einem noch nach einem halben Jahrtausend zuteilwerden.
Von Alexander Brüggemann (KNA)