Erzbischof: Ukraine-Krieg eskaliert – im Schatten von Nahost
Im Schatten des Nahost-Kriegs ist der Krieg in der Ukraine nach Worten des Oberhauptes der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche in den vergangenen Wochen eskaliert. Eine Aussicht auf ein baldiges Ende gebe es nicht, sagte Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk im Interview auf der Webseite der Erzdiözese Wien. Mit dem neu entflammten Konflikt im Nahen Osten werde "immer offensichtlicher, dass Russland mit seinen Verbündeten, etwa dem Iran, den Krieg auf die ganze Welt auszubreiten versucht", so der Kiewer Erzbischof. Nachdem es nicht möglich war, die Ukraine schnell einzunehmen, suche Russland nun auf der ganzen Welt Verbündete für den Krieg. Schewtschuk weiter: "Es liegt auf der Hand, dass die Taktik darin besteht, die Weltmedien zum Thema Ukraine zum Schweigen zu bringen, indem man die Aufmerksamkeit der internationalen Gesellschaft auf das Heilige Land lenkt."
Einmal mehr berichtete der Geistliche über das Ausmaß an Brutalität, mit dem der Krieg in seiner Heimat geführt werde. "Unseren Informationen zufolge verliert die russische Armee allein im Donbass-Gebiet fast 1.000 Soldaten pro Tag. Das Ausmaß der Verachtung menschlichen Lebens, das Russland an den Tag legt, ist erschütternd", so Schewtschuk. "Die Grausamkeit gegenüber der Zivilbevölkerung lässt uns das Blut in den Adern gefrieren."
"In diesem Winter geht es um das nackte Überleben der Zivilbevölkerung"
In der Ukraine bereiteten sich die Menschen auf den nächsten Kriegswinter vor; dieser werde noch schwieriger als im vergangenen Jahr, befürchtet der Großerzbischof. "In diesem Winter geht es um das nackte Überleben der Zivilbevölkerung." Im vergangenen Jahr habe Russland 60 Prozent des ukrainischen Stromnetzes zerstört. Diesmal versuchten sie, die restlichen 40 Prozent zu zerstören. Er selbst könne bezeugen, wie schlimm es ist, wenn es in einem Wohnhaus mit 12 oder 13 Stockwerken keinen Strom, keine Heizung und kein Wasser gibt: "Da wird das Leben praktisch unmöglich." Daher rechne er mit einer Flüchtlingswelle. "Menschen werden nicht nur vor Bombardierungen fliehen, sondern besonders auch vor der Kälte."
Im Kampf gegen den Aggressor gehe es nicht nur um Waffen, betonte der Geistliche. "Wir müssen ihn alle gemeinsam aufhalten." Europa müsse verstehen, "dass jeder Cent, den sie Russland im Austausch für billiges Gas, Öl oder Erdöl geben, in Waffen umgewandelt wird". Kein System von Sanktionen werde den Krieg stoppen, wenn man die grundlegenden Werte außen vorlasse. "Es ist offensichtlich, dass dieser Krieg katastrophale Zerstörungen verursacht, aber in erster Linie zerstört er den Menschen und die Menschenwürde", so der Großerzbischof. (KNA)