Nach Vertuschungsvorwürfen: Kurschus will am Montag Erklärung abgeben
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Annette Kurschus, will sich in einer persönlichen Erklärung am Montag um 11.00 Uhr in Bielefeld an die Öffentlichkeit wenden. Das teilten die EKD und die Evangelische Kirche von Westfalen (EKvW) am Freitagabend mit. "Darin nimmt die Leitende Geistliche der EKvW Bezug auf den Verdachtsfall sexualisierter Gewalt im Evangelischen Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein und insbesondere auf die Vorwürfe gegen ihre Person, die in diesem Zusammenhang medial verbreitet wurden", heißt es.
Ob es sich dabei möglicherweise um eine Rücktrittserklärung handeln wird, ist unklar: Nach Informationen der Katholischen Nachrichten-Agenur (KNA) hat die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Westfalen, in der Kurschus als Präses leitende Geistliche ist, der Theologin ihr Vertrauen ausgesprochen. Die EKD verwies in ihrer Presseerklärung hingegen darauf, dass der Rat der EKD in den vergangenen Tagen mehrfach "mit und ohne" Kurschus getagt habe. Er bekenne sich zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie und setze dabei auf die Struktur des Beteiligungsforums.
Kritik und Solidarität
Unterdessen üben Missbrauchsbetroffene scharfe Kritik an der Theologin: "Annette Kurschus ist für uns nicht mehr tragbar", sagte der Sprecher des EKD-Beteiligungsforums, Detlev Zander, der "Rheinischen Post" (Samstag). Durch ihr Verhalten werde die Arbeit des Beteiligungsforums gefährdet. Betroffene würden retraumatisiert. "Wenn ich mich hinstelle und erkläre, das Thema Aufarbeitung von sexueller Gewalt sei Chefinnensache, ist ihr derzeitiges Verhalten widersprüchlich und unglaubwürdig", sagte Zander. Kurschus habe das Beteiligungsforum nur einmal besucht. Auch in der aktuellen Situation hätte er erwartet, dass Kurschus das Forum informiere. "Was ich von ihr fordere, ist eine öffentliche Entschuldigung für ihr Verhalten."
Dagegen hat die Westfälische Kirchenleitung Kurschus den Rücken gestärkt. Michael Bertrams, Mitglied in der Leitung der Evangelischen Kirche von Westfalen, schreibt im "Kölner Stadt-Anzeiger" (Samstag online), er halte "die Vorwürfe gegen Kurschus und insbesondere Rücktrittsforderungen für unangemessen". Er betonte: "Ich bin mir darüber im Klaren, dass eine Berufung auf fehlende Erinnerung in der öffentlichen Wahrnehmung - nicht erst seit dem Fall Woelki in Köln - einen bitteren Beigeschmack hat." Das dürfe jedoch nicht dazu führen, "derjenigen, die erklärt, sich bei bestem Willen nicht erinnern zu können, von vornherein und ausnahmslos die Glaubwürdigkeit abzusprechen". In fester Überzeugung von ihrer Glaubwürdigkeit und Integrität sei es ihm "ein großes Bedürfnis, Annette Kurschus in voller Übereinstimmung mit sämtlichen Mitgliedern der Kirchenleitung öffentlich meine und unser aller Solidarität zu bekunden", betont Bertrams.
Der Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, schrieb auf der Kurznachrichtenplattform X, die "katholische Lösung" im Fall Kurschus sähe so aus: "Kardinal Woelki würde einfach erklären, er sei zwar eventuell bei dem Treffen im Garten dabei gewesen, aber habe gar nicht zugehört oder jedenfalls nichts verstanden. Und wer das Gegenteil behauptet, wird verklagt." Der Kölner Erzbischof steht seit Jahren wegen seines Umgangs mit der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der Kritik.
Kurschus: Habe erst in diesem Jahr von dem Fall erfahren
Kurschus will sich am Montag um 11.00 Uhr in Bielefeld an die Öffentlichkeit wenden. Bei der EKD-Synode zu Beginn der vergangenen Woche in Ulm hatte die Geistliche dem Bericht der "Siegener Zeitung" widersprochen: Sie habe erst zu Beginn dieses Jahres von dem Fall erfahren. Die Zeitung beruft sich hingegen auf zwei Zeugen, wonach mit Kurschus vor Jahrzehnten in ihrem Garten über die Vorwürfe gegen den Mann gesprochen worden sei. Beide bekräftigten ihre Aussagen demnach mit eidesstattlichen Versicherungen.
Nach Recherchen der "Siegener Zeitung" soll Kurschus als Gemeindepfarrerin in Siegen schon Ende der 1990er Jahre über Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens gegen einen Kirchenmitarbeiter informiert gewesen sein, diese aber nicht gemeldet haben. Bei der EKD-Synode zu Wochenbeginn in Ulm widersprach die Geistliche: Sie habe erst zu Beginn dieses Jahres von dem Fall erfahren.
Kurschus soll über Vorwürfe gesprochen haben
Die Zeitung beruft sich auf zwei Zeugen, wonach mit Kurschus vor Jahrzehnten in ihrem Garten über die Vorwürfe gegen den Mann gesprochen worden sei. Beide bekräftigten ihre Aussagen demnach mit Eidesstattlichen Versicherungen. Zudem zitierte das Blatt aus einem Schreiben des Beschuldigten, in dem dieser sich im Nachgang des Gartengesprächs über die Vorwürfe beschwerte und rechtliche Schritte androhte. Der Brief weckt aus Sicht der Zeitung deutliche Zweifel an den Schilderungen von Kurschus. Diese soll laut dem Blatt auch Patentante eines Kindes des Verdächtigen sein.
Kurschus ist seit 2012 Präses und damit leitende Geistliche der Evangelischen Kirche von Westfalen. 2021 wurde sie zusätzlich an die Spitze des EKD-Rates gewählt. Die EKD vertritt rund 20 Millionen evangelische Christinnen und Christen in den 20 lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen mit etwa 13.000 Kirchengemeinden. (mpl/KNA)
18.11., 17 Uhr: Ergänzt um Statement von Bertrams. 19.11., 11:50 Uhr: Ergänzt um Statement von Katsch.