Wie geht Kirchenbau heute?

Architekt Effgen: Sehnsucht nach spirituellen Räumen besteht weiter

Veröffentlicht am 09.01.2024 um 00:01 Uhr – Von Theresa Breinlich – Lesedauer: 

Wiesbaden ‐ Weil die Zahl der Gläubigen wie auch der Finanzmittel sinkt, müssen Pfarreien sparen. Doch Kirchen werden nicht nur geschlossen, sondern ab und zu auch noch neue gebaut. Architekt Roland Effgen war an einigen davon beteiligt. Mit katholisch.de hat er über die Herausforderungen gesprochen.

  • Teilen:

Das Architekturbüro Kessler Effgen und Partner aus Wiesbaden ist spezialisiert auf spirituelle Räume, seit es vom Bistum Limburg mehrere größere Aufträge erhalten hat. Seit 2004 unterstützt das Bistum die Gemeinden dabei, ihren Gebäudebestand zu überprüfen und gegebenfalls an die sinkenden Mitgliederzahlen anzupassen. Gleichzeitig entstehen aber auch heute noch neue Kirchen. Roland Effgen berichtet im Interview mit katholisch.de, welchen Herausforderungen er sich dabei gegenübersieht.

Frage: Herr Effgen, wie erleben Sie den wirtschaftlichen Druck auf die Kirchengemeinden?

Effgen: Er spielt bei den meisten Bauprojekten eine Rolle. Ist das vorhandene Kirchengebäude für die Gemeinde zu groß geworden, kann es entweder einer anderen Nutzung zugeführt oder verkleinert werden. In Steinbach im Taunus etwa entschied sich die Gemeinde dazu, das alte Gebäude aus den 1960er-Jahren abzureißen und eine kleinere, energetisch günstigere Kirche mit integriertem Gemeindezentrum zu errichten. 2015 wurde St. Bonifatius eingeweiht. Die Kirchengemeinde hatte einen Teil des Grundstücks verkauft. Dort entstand ein Seniorenwohnheim. In Eschborn wurde ähnlich verfahren. Die Kirche Christ-König wurde 2017 neu errichtet, auch um Energiekosten zu sparen. Für St. Bartholomäus in Köln-Ehrenfeld hat unser Architekturbüro ein Kolumbarium, eine Urnengrabkirche entworfen. Seit 2014 wird nun dort die Asche von Verstorbenen in Grabkammerwänden beigesetzt.

Frage: Bei solchen Projekten sind sicher viele Emotionen im Spiel?

Effgen: Natürlich haben die Gemeindemitglieder viele Erinnerungen an das alte Kirchengebäude. Wir versuchen auf die Wünsche einzugehen. In Steinbach haben wir ein Teil des Altars und Stücke der Glasfenster in das neue Konzept integriert. Damit waren alle zufrieden. Bei solchen Bauvorhaben werden auch oft Stellvertreterkonflikte ausgetragen. Wir haben schon erlebt, dass sich Verwaltungsräte aufgelöst haben. Bei einem Projekt zerstritten sich die Mitglieder, weil sie sich nicht auf ein Fußbodenmaterial einigen konnten. Um Fakten geht es hier oft weniger. Die Zusammensetzungen der Verwaltungsräte sind aber auch sehr unterschiedlich. Es sind oft Fachleute dabei und alles läuft problemlos.

Frage: Geht es denn nur um Umnutzung und Verkleinern oder entstehen heute noch neue Gotteshäuser?

Effgen: Es gibt in unserer Gesellschaft weiterhin die Sehnsucht nach spirituellen Räumen.  In Ballungsräumen, bei großem Zuzug, bilden sich auch neue Gemeinden. Im neuen Stadtteil Frankfurter Riedberg ist 2015 das Edith-Stein-Gemeindezentrum eingeweiht worden. Ein besonderes Projekt war für uns der Auftrag vom Unternehmer Peter Eckes, der seinem Heimatort Zornheim in Rheinhessen eine Kapelle in den Weinbergen gestiftet hat. Er handelte aus christlicher Überzeugung und hatte die nötigen finanziellen Mittel. Sie wurde 2021 gesegnet.  Es ist nicht das einzige privat beauftragte Gotteshaus in der Art in Deutschland. In Wiesbaden Sonnenberg befindet sich eine Feldkapelle, ein Projekt der Stiftung "Matthäus 7, 12". In Mechernich hat die gleichnamige Stiftung 2007 die Bruder-Klaus-Feldkapelle erbaut. Bei den Landschaftskapellen geht es darum, einen Ort zu markieren, ihm eine besondere Bedeutung zu verleihen.

Kirche Christ-König in Eschborn
Bild: ©Dietmar Strauß

Die Kirche Christ-König in Eschborn wurde vom Architektenbüro Kissler und Effgen samt Gemeindezentrum ab 2015 errichtet und 2017 von Bischof Georg Bätzing geweiht. Mittlerweile gehört die Gemeinde zur Pfarrei Heilig Geist am Taunus.

Frage: Wie sollten Kirchen von heute aussehen?

Effgen: Ich orientiere mich bei meinen Konzepten eher an der Dorfkirche als an der Kathedrale als bauliche Machtdemonstration. Ich möchte die Schwelle zum Eintreten niedrig halten. Eine schwere Kirchentür würde ich eher nicht wählen. In Steinbach habe ich den Eingangsbereich und das Foyer offen gestaltet. Das Gebäude sollte einladend und hell sein.

Frage: Wie kann man mit architektonischen Mitteln eine spirituelle Atmosphäre erzeugen?

Effgen: Der zweite Blick, das beiläufige Bemerken, ist ein Wesensmerkmal eines spirituellen Raums. Besucher sollen ihn als nicht banal erleben. Er weist über die Konsumwelt hinaus. Die künstlerischen Elemente drängen sich nicht auf. Der Besucher muss eine Bereitschaft mitbringen, sich darauf einzulassen. Das setzt eine Interaktion in Gang zwischen dem Raum und dem Besucher. So entsteht eine gespannte Aufmerksamkeit. Sie ist offen für neue Erfahrungen, mit sich selbst oder im christlichen Sinne mit Gott, für religiöse Erfahrungen. In Steinbach hat ein Künstler die Lampen wie aufgeschlagene Bücher gestaltet. Sie erinnern an den heiligen Bonifatius, der sich mit der Bibel vor Dolchstößen der Angreifer geschützt haben soll. Die Wände sind leicht schattiert. Es könnten Wolken sein.

Die grundlegenden Gestaltungsmittel der Architektur, die Raumbildung, das Licht, die Konstruktion, Material und Farbe müssen sich dabei zurückhalten und aufeinander abgestimmt sein. Ich verzichte auf Kontraste und setze auf authentische Materialien. Die Herausforderung besteht darin, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sie sollen die Menschen zur Ruhe kommen lassen. Sicherheit, Technik und Akustik müssten berücksichtigt werden, dürften aber nicht in den Vordergrund treten. Die Akustik sollte so eingestellt sein, dass sich die Besucher wohl fühlen, wenn gesprochen wird, das heißt, die Raumgröße und die akustische Erfahrung stimmen überein.

Frage: Ist Ihnen ein Bauprojekt als besonders kurios in Erinnerung?

Effgen:  Tatsächlich ist uns beim Neubau des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz, die wir 2003 geplant haben, die größte Panne passiert. Wir sollten besonders nachhaltige Technik verwenden. Die Toilettenspülung haben wir an das Grauwassernetz angeschlossen. Das Gebäude wurde kurz vor Weihnachten fertig. Über die Feiertage stand es leer. Dann ist ein Schlauch geplatzt. Irgendwann rief jemand an und sagte, da würde Wasser die Fassade herunterlaufen. Es war ein großer Schaden. Aus Fehlern lernt man. So etwas haben wir nicht noch einmal erlebt.

Von Theresa Breinlich