Papst Franziskus nimmt christliche Tugend in den Blick

Umkehr zur Barmherzigkeit

Veröffentlicht am 11.04.2015 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Heiliges Jahr

Bonn ‐ Barmherzigkeit - für Papst Franziskus ist es "der" Begriff für die Liebe Gottes, der Schlüsselbegriff seines Pontifikates und der Kern des Evangeliums schlechthin. "Etwas mehr Barmherzigkeit verändert die Welt; es macht sie weniger kalt und mehr gerecht", erklärte er bereits bei seiner ersten Ansprache als Papst am 17. März 2013.

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Wie wichtig ihm diese zutiefst christliche Haltung ist, zeigt auch, dass er nun ein Heiliges Jahr ausgerufen hat, das diesem Thema gewidmet ist. Das sogenannte Jubiläum der Barmherzigkeit beginnt am 8. Dezember 2015 und endet am 20. November 2016.

Barmherzigkeit - ein sperriger und im Alltag etwas überholt klingender Begriff. Das Lexikon für Theologie und Kirche beschreibt ihn als "freie und freigiebige, nicht geschuldete, liebend-vergebende Hinwendung Gottes zum Geschöpf". Sie sei die "sichtbare Ausprägung seiner wesenhaften Liebe", die sich in der "Zuwendung Gottes zu den Elenden und Armen" zeige.

Leitbegriff des Christentums

Barmherzigkeit ist ein Leitbegriff des Christentums, der das zentrale Wesen Gottes beschreibt. Im Alten wie im Neuen Testament findet er sich an vielen Stellen. "So hoch wie der Himmel über der Erde ist, reicht seine Barmherzigkeit", heißt es etwa in Psalm 103. Jesus erzählt zahlreiche Gleichnisse, die die Barmherzigkeit Gottes verdeutlichen - allen voran die Geschichte des barmherzigen Samariters (Lk 10,25-37). Und auch die Bergpredigt widmet sich dem Thema, "Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen" (Mt 5,7).

Bild: ©KNA

Papst Johannes Paul II. winkt.

Wie die Barmherzigkeit konkret gelebt werden kann, das formuliert die christliche Tradition etwa in den sogenannten sieben Werken der leiblichen Barmherzigkeit. Dazu gehört Hungrige zu speisen, Dürstenden zu trinken zu geben, Nackte zu bekleiden, Fremde aufzunehmen, Kranke und Gefangene zu besuchen sowie Tote zu begraben.

Vorbehaltlose Unterstützung

Die Barmherzigkeit richtet sich dabei an alle Menschen - ungeachtet ihrer Religion und Herkunft; diese vorbehaltlose Unterstützung ist es auch, die Menschen am Christentum schätzen - sei es in Form von Lebensmitteltafeln der Caritas, in der Obdachlosenhilfe oder in Hospizen.

Die Idee der göttlichen Barmherzigkeit hat Menschen immer schon angesprochen und inspiriert - zu Taten konkreter Nächstenliebe, aber auch spirituell. Die polnische Ordensfrau Faustyna Kowalska (1905-1938) etwa fühlte sich auserwählt, den Menschen die Barmherzigkeit mit einem ganz konkreten Bild zu vermitteln: Darauf zu sehen ist Jesus, aus dessen Herz sich die Barmherzigkeit strahlenförmig ausgießt - als Andachtsbild ist es heute millionenfach verbreitet. Kowalska beeindruckte auch den polnischen Erzbischof Karol Wojtyla, in dessen Bistum Faustyna gestorben war und verehrt wurde.

Liebe als allumfassende Antwort

Als Johannes Paul II. widmete er seine zweite Enzyklika "Dives in misericordia" (1980) der göttlichen Barmherzigkeit und griff darin das Denken der Ordensfrau auf. In diesem Lehrschreiben entfaltete der noch junge Papst den zentralen Gedanken, dass Gottes barmherzige Liebe die allumfassende Antwort auf die Sünde und auf das Böse in der Welt ist und dass es der Kirche anvertraut sei, dieses Geheimnis in der Welt von heute weiterzugeben. Gegen Ende seines Pontifikats erklärte er den Sonntag nach Ostern, den "Weißen Sonntag", zum "Sonntag der Barmherzigkeit". Papst Franziskus knüpft mit dem "Jubiläum der Barmherzigkeit" somit auch an seinen Amtsvorgänger an.

In seinen Ansprachen und auf Reisen wirbt der Papst unermüdlich für einen barmherzigen Umgang mit Notleidenden - sei es mit Bootsflüchtlingen aus Afrika, mit vereinsamten Senioren oder behinderten Menschen, mit Sündern und Gescheiterten. Profis von der Caritas, Mitglieder von Krankenpflegeorden wie die Barmherzigen Brüder und Schwestern, aber auch viele "einfache" Christen engagieren sich in aller Welt schon heute, um ihre Mitmenschen genau diese Barmherzigkeit spüren zu lassen

Von Angelika Prauß (KNA)

Stichwort: Heiliges Jahr

Das Heilige Jahr ist ein Jubiläumsjahr in der katholischen Kirche. Es wird regulär alle 25 Jahre begangen. Biblisches Vorbild ist das Jubeljahr (Levitikus 25), ein alle 50 Jahre begangenes Erlassjahr. Das erste Heilige Jahr wurde 1300 von Papst Bonifatius VIII. (1294-1303) ausgerufen. Ursprünglich als Jahrhundertereignis gedacht, wurde es zunächst im Abstand von 50 und dann 33 Jahren wiederholt. Der Rhythmus von 25 Jahren besteht seit 1450. Zentrale Elemente der Heiligen Jahre wurden die Romwallfahrt, die Heilige Pforte und der Ablass. Zum Ritual gehörte der Besuch bestimmter Kirchen in Rom. Heute gehören acht Pilgerorte dazu, darunter der Petersdom, die Lateranbasilika, die Basilika Santa Maria Maggiore und die Katakomben. Neben den "ordentlichen" Heiligen Jahren gab es wiederholt außerordentliche Jubiläen, etwa 1566 angesichts der Bedrohung durch die Türken, 1605 zum Amtstritt von Papst Paul V., 1983 als besonderes Gedenkjahr der Erlösung, 1987 mit dem Themenschwerpunkt Maria und 2008 anlässlich der Geburt des Apostels Paulus vor 2.000 Jahren. Im Jubeljahr 2000 kamen rund 25 Millionen Pilger und Besucher nach Rom. (KNA)