Bischof Bätzing und Erzbischof Gadecki sprechen sich nach Brief aus
Nach einem Brief des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, an seinen polnischen Kollegen Erzbischof Stanislaw Gadecki haben sich die beiden Kirchenmänner "über die entstandenen Irritationen ehrlich ausgesprochen". Das teilte Bätzing am Dienstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn mit.
"Wir waren uns einig, dass es für die Kirche in beiden Ländern keine leichten Zeiten sind – und dass wir als Nachbarn gerade in diesen Zeiten zusammenstehen wollen, auch wenn wir kulturelle Unterschiede in der legitimen Vielfalt des Katholischen wahrnehmen und darin unseren Weg in eine gute Zukunft suchen, in der wir den Menschen wie zu allen Zeiten die Frohe Botschaft bezeugen wollen", betonte Bätzing.
"Entstehende Fragen und mögliche Missverständnisse in der gegenseitigen Wahrnehmung sollen künftig in bewährter Weise in der Deutsch-Polnischen Kontaktgruppe angesprochen und miteinander geteilt werden." Diese sei ein guter Ort des Gesprächs. Bätzing hatte sich mit Gadecki am Montagabend zu Beginn der Vollversammlung des Rats der europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) auf Malta unterhalten – bevor beide miteinander Gottesdienst feierten.
Brief Bätzings an Gadecki
Gadecki teilte über die Plattform X, ehemals Twitter, mit: "Wir sind uns bewusst, dass wir in schwierigen Zeiten für die Kirche in Europa leben, aber trotz der kulturellen Unterschiede werden wir gemeinsam das Gute und den richtigen Weg für die Kirche in Polen und Deutschland suchen." Die Warschauer Tageszeitung "Rzeczpospolita" hatte am Montag einen Brief von Bätzing an Gadecki veröffentlicht. Ungewohnt deutlich beschwert er sich darin über Gadeckis Protestschreiben an Papst Franziskus gegen zentrale Reformideen des Synodalen Wegs der katholischen Kirche in Deutschland.
Bätzing wirft Gadecki in seinem am 21. November verfassten Schreiben "unbrüderliches Verhalten" vor: Der Vorsitzende der polnischen Bischöfe habe im Oktober in den gemeinsamen Gesprächen während der Weltsynode im Vatikan mit keinem Wort erwähnt, dass er Anfang Oktober Franziskus einen Brief zum deutschen Synodalen Weg geschrieben hatte. Statt für Dialog habe sich Gadecki dafür entschieden, gegenüber dem Papst falsche Behauptungen über den deutschen Reformprozess aufzustellen, so der Bischof von Limburg.
Gadeckis Brief wurde erst Mitte November publik, als ihn Polens katholische Nachrichtenagentur KAI veröffentlichte. Der Erzbischof kritisiert darin mehrere Beschlüsse des Synodalen Wegs als "extrem inakzeptabel und unkatholisch". Die deutschen Kirchenreformer wollten offenbar eine Revolution vollbringen, die eher von linksliberalen Ideologien inspiriert sei als vom Evangelium, schrieb er an Franziskus. Konkret verurteilte Gadecki unter anderem Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare und Pläne, dass transgeschlechtliche Gläubige im Taufregister ihren Namen und das eingetragene Geschlecht ändern dürfen. (KNA)
28.11., 16:20 Uhr: Ergänzt um Gadecki auf "X".
Der Brief von Bischof Bätzing an Erzbischof Gadecki
In ungewöhnlich deutlichen Worten hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, in einem Brief den Vorsitzenden der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanislaw Gadecki, kritisiert. Anlass war ein Protestschreiben Gadeckis an Papst Franziskus gegen zentrale Reformideen des Synodalen Wegs der katholischen Kirche in Deutschland. Die Warschauer Tageszeitung "Rzeczpospolita" veröffentlichte am Montag den Brief Bätzings. Die deutsche Version des Schreibens in Auszügen:
Sehr geehrter Herr Erzbischof, lieber Mitbruder im bischöflichen Amt,
mit einer gewissen Bestürzung und mit großer Enttäuschung habe ich den Brief zur Kenntnis genommen, den Sie am 9. Oktober 2023 an den Heiligen Vater gerichtet haben und der nun veröffentlicht wurde. Am Rand der Synode haben wir in den vier Wochen mehrfach miteinander gesprochen. Es ist schon – gestatten Sie mir dieses offene Wort – ein massiv unsynodales und unbrüderliches Verhalten, wenn Sie mir in diesen Gesprächen nicht ein Wort zum Brief sagen. Anstelle eines Gesprächs haben Sie ein Schreiben an Papst Franziskus gewählt, in dem Sie mit großer Heftigkeit und mit unpräzisen und verfälschenden Aussagen Klage über den Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland führen.
(...)
Sie legen in Ihrer Darstellung großen Wert auf die Gegenüberstellung Ihrer eigenen Katholizität und des Widerspruchs zur katholischen Lehre, den Sie der katholischen Kirche in Deutschland unterstellen. Ich frage mich jedoch, nach welcher kirchenrechtlichen Maßgabe es dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz einer Teilkirche zukommt, über die Katholizität einer anderen Teilkirche und deren Episkopats zu urteilen. Lassen Sie mich Ihnen daher deutlich sagen, dass ich Ihr Schreiben als eine massive Überschreitung Ihrer Kompetenz betrachte.
(...)
Sie verbinden Ihre Kritik mit der These, durch den Synodalen Weg sollten demokratische Prinzipien in der Kirche eingeführt werden. Hier ist an erster Stelle festzuhalten, dass es bereits viele Strukturelemente in der katholischen Kirche gibt, die mit Vorgehensweisen und Strukturen übereinstimmen, wie sie in neuzeitlich-rechtsstaatlich-demokratischen Staatsgebilden gesetzt sind.
(...)
An keiner Stelle der Beschlüsse des Synodalen Weges in Deutschland wird die hierarchische Struktur der katholischen Kirche grundsätzlich infrage gestellt. Anliegen des Synodalen Weges ist es, das Bischofsamt und das Papstamt zu stärken und nicht zu schwächen. Ein Diskurs über die zeitgemäße Ausgestaltung von Leitung freilich muss möglich sein. Hier hat die Kirche zu jeder Zeit die erforderlichen Anpassungen vorgenommen.
Das von Ihnen zum Ausdruck gebrachte distanzierte Verhältnis zur neuzeitlichen parlamentarischen Demokratie, für die neben der Anerkennung der Menschenwürde und der Menschenrechte insbesondere auch die Prinzipien der Verfassungsordnung, der Volkssouveränität, der Rechtsstaatlichkeit, der Gewaltenteilung, des Schutzes von Minderheiten und der Sozialstaatlichkeit gehören, stimmt mich bedenklich. Gerade angesichts einer weltweiten Tendenz zum Aufschwung autokratischer oder gar diktatorischer Herrschaftsformen sollte es doch ein uns und unsere von Diktaturen leidgeprüften Völker verbindendes Anliegen sein, die demokratischen Errungenschaften zu stärken und nicht schwach zu reden.
(...)
Auch im Hinblick auf die gleichgeschlechtlichen Paare, die sich an die Kirche wenden, möchte ich auf die Worte der Synode verweisen: "Auf unterschiedliche Weise bitten auch Menschen, die sich aufgrund ihrer Ehesituation, ihrer Identität und ihrer Sexualität an den Rand gedrängt oder von der Kirche ausgeschlossen fühlen, darum, dass ihnen zugehört wird und sie begleitet werden und dass ihre Würde verteidigt wird. Auf der Vollversammlung wurde ein tiefes Gefühl der Liebe, der Barmherzigkeit und des Mitgefühls für Menschen wahrgenommen, die sich von der Kirche verletzt oder vernachlässigt fühlen und die sich einen Ort wünschen, an dem sie 'nach Hause' kommen und sich sicher fühlen können, wo ihnen zugehört wird und sie respektiert werden, ohne dass sie Angst haben müssen, verurteilt zu werden." (Synthese 16 h). Hier scheint mir insbesondere dieser letzte Halbsatz entscheidend. Gefordert ist ein Verzicht auf Verurteilung anstelle etwa einer böswillig diffamierenden Gleichstellung mit Straßenräubern, wie ich sie Ihrer Argumentation leider entnehmen muss. Die synodale Haltung steht in voller Übereinstimmung mit den Worten von Papst Franziskus, der in Amoris laetitia gesagt hat: "Es ist wahr, dass wir uns manchmal wie Kontrolleure der Gnade und nicht wie ihre Förderer verhalten. Doch die Kirche ist keine Zollstation, sie ist das Vaterhaus, wo Platz ist für jeden mit seinem mühevollen Leben."
(...)
Um am Ende dieser Ausführungen einem weiteren Missverständnis vorzubauen, betone ich, dass die aus meiner Sicht recht zahlreichen thematischen wie auch perspektivischen Berührungspunkte zwischen dem Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland und der Weltsynode nicht daher rühren, dass die deutschen Bischöfe den Weltepiskopat oder die Weltsynode unterwandert, indoktriniert oder gar korrumpiert hätten. Solche Vorstellungen sind schlicht dem Bereich abstruser Verschwörungstheorien zuzurechnen. Die Berührungspunkte ergeben sich, wie bereits der Synodale Weg der Weltkirche und auch die Weltsynode selbst mehr als deutlich gemacht haben, daraus, dass an vielen Stellen der Weltkirche und in vielen Ortskirchen in recht vergleichbarer Weise sehr ähnliche Fragestellungen auftauchen.
(...)
In diesem Sinn kann ich Sie an dieser Stelle nur einladen, die Katholizität der ganzen Weltkirche und auch die Katholizität der einzelnen Teilkirchen anzuerkennen und ohne Diffamierung und Vorverurteilungen das Gespräch zu suchen. Dabei erinnere ich gerne an die guten Erfahrungen, die die deutschen und die polnischen Bischöfe im Rahmen ihres langjährigen Dialogs auf der Grundlage ihres epochalen Briefwechsels nach den Gräueln des Zweiten Weltkrieges gemacht haben. Auch jetzt in dieser kritischen Situation, in der gegenseitige Entfremdung und Verbitterung drohen, werbe ich um die Fortführung dieses Dialogs.
(...)
Sicherlich werden wir Gelegenheit haben, am Rande der CCEE-Vollversammlung in Malta über den Vorgang zu sprechen. Synodalität bedeutet Hören und Dialog und den wünsche ich mir wenigstens im Nachgang zu Ihrem Brief über uns an den Papst nachdrücklich von Ihnen.
Mit freundlichen Grüßen
Bischof Dr. Georg Bätzing