Zum Tod von Literaturnobelpreisträger Günter Grass

Der Trommler

Veröffentlicht am 13.04.2015 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN
Tod

Lübeck ‐ Für ebenso eigene wie eigenwillige Ansichten war Literaturnobelpreisträger Günter Grass zeit seines Lebens bekannt. In einem seiner letzten Interviews zeigte er sich Mitte März in der "Rheinischen Post" besorgt um Papst Franziskus. "Ich bin zwar kein gläubiger Mensch, aber ich mache mir Sorgen, ob er am Leben bleibt", gab Grass da zu Protokoll.

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"Es wäre nicht der erste Fall dieser Art in der katholischen Kirche", so der Autor. Mit der Kurie habe Franziskus"noch viel zu tun", meinte Grass. "Der verbreitet frische Luft."

Neues denken, Debatten anstoßen: Das war so etwas wie das Lebenselixier des Literaten, der am Montag im Alter von 87 Jahren in einer Lübecker Klinik gestorben ist. "Der Schriftsteller ist nicht nur Schriftsteller, sondern auch Zeitgenosse und Bürger in seinem Land", lautete sein Credo. Mit seinem 1959 erschienenen Roman "Die Blechtrommel" gelangte er zu Weltruhm. 1999 erhielt er den Literaturnobelpreis.

Für mitunter kontroverse Diskussionen sorgten seine Einlassungen zur Tagespolitik - zuletzt 2012 mit seinem in der "Süddeutschen Zeitung" abgedruckten Prosagedicht "Was gesagt werden muss". Darin beschuldigte Grass Israels Regierung, mit einem möglichen militärischen Erstschlag gegen den Iran den Weltfrieden zu gefährden.

Grass konnte auch für Empörung sorgen

Politiker und Vertreter des Judentums in Deutschland waren empört; die israelische Regierung erklärte Grass zur unerwünschten Person und führte dabei dessen SS-Mitgliedschaft ins Feld, die er erstmals in seiner 2006 erschienenen Autobiografie "Beim Häuten der Zwiebel" öffentlich bekannt hatte. Das Bekenntnis wurde von vielen Zeitgenossen dankbar aufgegriffen, um Grass das Recht abzusprechen, weiterhin als Mahner und moralische Institution in Erscheinung zu treten.

Der emeritierte Papst Benedikt XVI.
Bild: ©picture alliance / abaca/Vandeville Eric

Der emeritierte Papst Benedikt XVI.

Der Autor, der am 16. Oktober 1927 in Danzig geboren wurde und sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit Leidenschaft für eine Aussöhnung mit Polen einsetzte, sah sich seither einem Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung ausgesetzt. Bis dahin galt der damalige Wahlhelfer des späteren Bundeskanzlers Willy Brandt (SPD) auch unter Kritikern als eine Art intellektuelle Ikone in der Geschichte der Bundesrepublik.

Mit dem Erscheinen der "Blechtrommel" 1959 war der gelernte Bildhauer und Grafiker, der zuvor nur einen wenig beachteten Gedichtband und zwei Bühnenstücke veröffentlicht hatte, ein gemachter Mann. Die Reaktionen auf das Werk, das in 24 Sprachen übersetzt wurde, waren überwältigend - überwältigend negativ allerdings vonseiten der konservativen und christlichen Presse.

Viele Rezensenten sprachen von "Pornografie" und "Blasphemie". Dieser Vorwurf bezog sich vor allem auf eine Szene mit der Hauptfigur Oskar, der sich dem Groß- und damit auch dem Erwachsenwerden verweigert. In der Danziger Herz-Jesu-Kirche hängt er der Holzfigur des Jesusknaben seine Trommel um, weil er ein "Wunderchen" erleben will, das natürlich ausbleibt, woraufhin er die Figur beschimpft und malträtiert.

"Blechtrommel"-Verfilmung gewinnt den Oscar

Aber auch die Negativreaktionen waren Wasser auf die Mühlen eines ungeheuren literarischen Erfolgs, der auch alle seine folgenden Publikationen begleitete - so auch den Roman "Hundejahre" und die Novelle "Katz und Maus", die mit der "Blechtrommel" die "Danziger Trilogie" bildeten. 1979 gewann die "Blechtrommel"-Verfilmung von Volker Schlöndorff sogar den Oscar.

Ungeachtet dessen blieb Grass produktiv und präsent: Sein letzter Roman, "Grimms Wörter. Eine Liebeserklärung", erschien 2010. Wenn er sich zu Wort meldete, dann war ihm stets große Aufmerksamkeit sicher. Wie etwa mit seiner 2006 verbreiteten Anekdote über eine angebliche Begegnung mit Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., mit dem er sich in einem Lager für Kriegsentlassene 1945 angefreundet haben wollte.

Grass sprach von einem Gleichaltrigen namens Joseph, der "äußerst katholisch" gewesen sei und "gelegentlich lateinische Zitate von sich gegeben" habe. "Das ist vielleicht eine schöne Geschichte, aber wahr ist sie nicht", meinte Papstbruder Georg Ratzinger dazu. Für einen Schriftsteller vielleicht nicht das allerschlimmste Urteil.

Von Joachim Heinz und Peter W. Kohl (KNA)