Kritik wegen eigener Versäumnisse

Administrator von Saint-Maurice braucht externe Hilfe bei Aufarbeitung

Veröffentlicht am 07.12.2023 um 11:36 Uhr – Lesedauer: 

Saint-Maurice ‐ Nach dem Rücktritt des Abts und des Interims-Chefs wird die Abtei Saint-Maurice von einem Apostolischen Administrator geleitet. Der zeigt sich selbstkritisch angesichts eigener Versäumnisse im Umgang mit Missbrauch – und hofft auf Hilfe von außen.

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Der Apostolische Administrator der von Missbrauchsenthüllungen erschütterten Schweizer Abtei Saint-Maurice sieht sich auf externe Unterstützung bei der Aufarbeitung der Vorwürfe angewiesen. Im Interview mit der Schweizer Zeitschrift "Le Nouvelliste" sagte der ehemalige Augustiner-Chorherren-Propst Jean-Michel Girard, dass es dafür Menschen brauche, die kompententer seien als die Ordensleute und eine Außenperspektive sowie einen neutralen Blick auf die Situation mitbringen. "Da wir selbst nicht in der Lage waren, Licht in diese Fälle zu bringen, liegt es für mich auf der Hand, dass wir die Bescheidenheit haben müssen, um Hilfe von außen zu bitten", so Girard. 

Girard habe sich nicht um den Auftrag gerissen, das Kloster zu leiten, nachdem zuerst der Abt und dann der Prior als Interims-Leiter nach Missbrauchsvorwürfen ihr Amt nicht mehr ausüben konnten: "Ehrlich gesagt bin ich nicht aus frohem Herzen hier, aber ich komme gerne, um vorübergehend auszuhelfen." Der 75-jährige Girard war erst im April als Propst der Augustiner-Chorherren vom Großen Sankt Bernhard aus dem Amt geschieden. Seine Berufung zum Apostolischen Administrator erklärte er sich vor allem mit der räumlichen Nähe und seiner Erfahrung als Leiter einer Niederlassung von Augustiner-Chorherren. Er selbst könne vor allem dafür sorgen, die Gemeinschaft zusammenzuhalten, die Aufarbeitung selbst sei bei externen Stellen besser aufgehoben. Seine Priorität sei nun, schnell Lehren aus den Geschehnissen zu ziehen und Verantwortung gegenüber den Betroffenen zu übernehmen. "Außerdem müssen diese Situationen vollständig aufgeklärt werden, aus Respekt vor den Opfern, das ist das Mindeste, was man tun kann, aber auch um falsche Anschuldigungen zu vermeiden und alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen", so der Administrator.

"Aus Feigheit" Versäumnisse im eigenen Kloster

Girard äußerte sich auch zu Kritik an seiner Person. Im vergangenen Jahr musste er Versäumnisse im Umgang mit einem beschuldigten Mitbruder eingestehen. Der Beschuldigte, der sexuellen Missbrauch an einem 12-Jährigen in den 80er Jahren gestanden hatte, hatte bei einer Priesterweihe konzelebriert, Girard hatte seine Mitfeier nicht verhindert. "Ich habe tatsächlich nicht reagiert, als er entgegen meinen Vorgaben zu dieser Feier kam. Ich hätte es tun sollen, habe es aber nicht getan. Zweifellos ein wenig aus Feigheit", so Girard. Als Propst von Sankt Bernhard habe er nicht alles richtig gemacht und verfüge auch heute nicht über alle nötigen Fähigkeiten, um mit der aktuellen Situation umzugehen.

Im September ließ Jean César Scarcella nach Vorwürfen sexueller Übergriffe sein Amt als Abt von Saint-Maurice ruhen. Die Leitung der Abtei übernahm Prior Roland Jaquenoud, der Ende November zurücktrat. Jaquenoud gehört zu den neun Mitgliedern des Augustiner-Chorherren-Stifts, denen in einer Recherche des Schweizer Fernsehens Übergriffe und Missbrauchstaten vorgeworfen wurden. In der Woche nach dem Rücktritt des Priors ernannte Papst Franziskus Girard zum Apostolichen Administrator. Der Chorherr war von 2014 bis 2023 Propst des Klosters vom Großen St. Bernhard und stand von 2016 bis 2022 der Konföderation der Augustiner-Chorherren als Abtprimas vor. Die Konföderation ist der oberste Dachverband der Kanonikerorden, die nach der Regel des heiligen Augustinus leben.

Die Abtei Saint-Maurice ist ein Kloster der Augustiner-Chorherren im Schweizer Kanton Wallis. Sie gilt als ältestes ohne Unterbrechung bestehendes Kloster des Abendlandes. Als Territorialabtei ist das Kloster und ein zu ihm gehörendes Gebiet von fast 100 Kilometern einem Bistum gleichgestellt. Die Vorsteher von Territorialabteien gehören durch ihr Amt der jeweiligen Bischofskonferenz an, obwohl sie in der Regel nicht zu Bischöfen geweiht sind. (fxn)