Fast wie ein "Leipziger Dom"
Die Maskenbildnerinnen des Mitteldeutschen Rundfunks schminken hier die Moderatoren der Liveübertragung und auch Bischof Heiner Koch, Nuntius Nicolas Eterovic und Propst Gregor Giele werden hier für die Kameras geschminkt und mit Mikrofonen und Sendern verkabelt, damit jedes Wort übertragen werden kann. Die Leipziger Polizei sucht unterdessen ein letztes Mal mit Hunden nach möglichen Sprengkörpern. Für die Einweihung des größten Kirchenneubaus seit der Wende gilt die höchste Sicherheitsstufe. Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich ist ebenso zur Einweihung gekommen wie der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung.
Staubige Schuhe
30 Minuten vor dem Beginn des Gottesdienstes steht Propst Gregor Giele draußen vor der Kirche und raucht einen Zigarillo. "Das Adrenalin ist hier oben", sagt Giele und streckt den Arm ganz hoch. Hinter dem Pfarrer der größten Leipziger Pfarrei liegt ein anstrengender Endspurt. Nicht alles ist fertig geworden. Glockenstuhl, Glocken und die Orgel fehlen noch. Auch rund um die Kirche ist die Baustelle noch nicht ganz fertig geworden. Gieles Schuhe werden kurz vor dem Gottesdienst noch einmal staubig. Sieben Jahre brauchte es bis zu diesem Tag. Die Vorgeschichte ist jedoch eine sehr viel längere.
Die alte Propsteikirche stand früher in Sichtweite des heutigen Neubaus. Im Krieg wurde sie 1943 bei Bombenangriffen schwer beschädigt. Die Reste und der stehengebliebene Turm wurden nach Kriegsende gesprengt. Als die Pfarrei anfing, eine Baugrube für den Wiederaufbau auszuheben, schritten die Behörden ein. Die Kommunisten wollten keine Kirche mehr im Leipziger Stadtzentrum. Lange musste die Gemeinde kämpfen, bis in den 1970er Jahren schließlich ein Neubau am Rande der Innenstadt genehmigt wurde. Doch schon kurz nach der Einweihung zeigten sich schwere Bauschäden. Die Folgekosten wurden unkalkulierbar.
Gemeinde wächst von 2.000 auf 4.700 Mitglieder
Ab Mitte der 1990er Jahre begann die Gemeinde stark zu wachsen, von 2.000 auf 4.700 Gemeindemitglieder in den vergangenen 20 Jahren. Rund 150 bis 200 Mitglieder kommen Jahr für Jahr zu der jungen, lebendigen Propsteigemeinde hinzu. Der Altersdurchschnitt liegt bei 36,8 Jahren.
Der Entschluß für einen Neubau wurde schließlich 2008 bekanntgegeben. Im Jahr 2009 wurde ein internationaler Architektenwettbewerb ausgeschrieben. Der Entwurf des Leipziger Architektenbüros "schulz&schulz" bekam schließlich den Zuschlag. Auf die Besonderheiten des Neubaus mit Kirchenraum, Innenhof, Gemeindezentrum und Turm geht sogar Papst Franziskus in seinem Grußwort an die Leipziger ein. "Die Kirche streckt ihre Arme der Stadt entgegen und gibt sich ihr als Geschenk", schreibt er an die Leipziger Katholiken.
Der Entwurf war in der Stadt nicht unumstritten. Nachdem der nackte Rohbau in Beton zu sehen war, lehnten viele Leipziger Bau erst einmal ab. "Seit die Verkleidung mit rotem Porphyr dran ist, gefällt es aber den meisten", sagt einer der Gottesdienstbesucher. Die sind von weit her gekommen. Aus Hongkong ist Pfarrer Lothar Vierhock angereist. Er war bis vor wenigen Monaten Propst in der Gemeinde und ist einer der Väter des Neubaus. Vertreter des Bonifatiuswerkes sind zur Weihe gekommen. Das Diaspora-Hilfswerk hat den Bau überhaupt erst möglich gemacht. 1,5 Millionen aus Spenden hat es bereitgestellt, weitere 2,6 Millionen an Spenden vermittelt. 15 Millionen kostet der Bau insgesamt. Noch sind nicht alle Kosten gedeckt.
Reliquie von Albertus Magnus
"Eine große Stadt ersteht" erklingt zum Einzug. Bischof Heiner Koch weiht die Kirche, die die Gottesdienstbesucher mit ihrem in weiß gehaltenen, lichtdurchfluteten Innenraum willkommen heißt. Die massiven Holzbänke bilden dazu einen angenehmen Kontrast. Kreuz, Ambo, Altar, Tabernakel, Taufbecken und auch die die Priestersitze hat der amerikanische Künstler amerikanische Künstler Jorge Pardo im gleichen, unaufdringlichen Design gestaltet - sie sind nun erstmals in Gebrauch.
Im Laufe des Gottesdienstes weiht Bischof Koch die liturgischen Gegenstände. In den Altar aus Holz und Marmor bettet er eine Reliquie von Albertus Magnus, die schon im Altar der alten Propsteikirche enthalten war. Den Altar salbt er mit Chrisamöl.
In seiner Predigt wendet er sich direkt an die Leipziger, von denen rund 80 Prozent keiner christlichen Konfession angehören: "Gehen Sie mit uns mit", bittet er sie und betont, wie schon zuvor Franziskus, dass das Gotteshaus offen für alle sei. Die Christen freuten sich über den Austausch. "Wir sind dankbar für Sie, die Ungetauften, die Sie mit Ihren Lebenserfahrungen, mit Ihrem Suchen und Ihrem Fragen für uns ein Reichtum sind, lebens- und glaubensbedeutsam", so der Bischof.
Über tausend Menschen feiern den Gottesdienst in und vor der Kirche mit. Nach zwei Stunden ist die Liturgie vorbei. "So, das ist ja fast ein Leipziger Dom", heißt es beim Auszug über den Innenhof.